Paderborn, 20.3.2014 (aktualisiert 22.3.2014)
Der Schulausschuss der Stadt Paderborn hat heute für einen Antrag der SPD-Fraktion gestimmt, wonach die Verwaltung ein Konzept für die Grundschullandschaft der Stadt erarbeiten soll. Ziel ist, bereits zum Schuljahr 2015/2016 jedem Kind einen wohnortnahen Schulplatz zu garantieren. Das Urteil des Verwaltungsgerichts Minden habe festgestellt, dass der örtliche Schulträger durchaus in der Lage und auch in der Pflicht sei, auf Veränderungen der gesellschaftlichen Bedingungen zu reagieren. Da im Moment 14 der 22 öffentlichen Grundschulen der Stadt katholische Bekenntnisschulen sind, ist eine wohnortnahe Versorgung mit Grundschulplätzen nicht für alle Grundschulkinder gegeben. Sozialdezernent Walter versuchte den Beschluss zu verhindern und betonte wiederholt, dass die Klage des abgewiesenen muslimischen Kindes gegen den Schulleiter abgewiesen worden sei, der Schulleiter also rechtlich einwandfrei gehandelt habe. Die Stadt müsse auf neue gesetzliche Vorgaben aus Düsseldorf warten, bevor sie tätig werden könne.
Der Antrag der Grünen auf einen Runden Tisch mit allen relevanten Akteuren (Kirchen, Fraktionen usw.) wurde dagegen von CDU und FDP abgelehnt. Insbesondere störten sich FDP-Vertreter daran, dass die Schura, der Rat der Paderborner Muslime, mit am Tisch sitzen sollte.
Die Eltern des abgewiesenen Kindes kündigten derweil an, gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Minden vom 28.2. in Berufung zu gehen.
Hintergrundinformationen
In Paderborn sind 58% aller Grundschulen katholische Grundschulen. Der Anteil katholischer Schüler im Grundschulalter liegt derzeit bei 42%. Zu Beginn des Schuljahres 2013/14 wurde ein muslimischer Junge an der für ihn nächstgelegenen Grundschule, die seine Schwester bereits besuchte, nicht aufgenommen, weil die Eltern nicht bereit waren, die Einverständniserklärung zur verpflichtenden Teilnahme am Religionsunterricht und katholischen Gottesdiensten zu unterzeichnen. An der Schule gehören nur 42% der Kinder dem katholischen Bekenntnis an. Seine große Schwester war an der gleichen Schule vom Religionsunterricht befreit.
siehe hierzu aktuelle Artikel aus Paderborn:
- nw-news.de, 22.3.2014, Neues Konzept für Grundschullandschaft. Schulausschuss beauftragt Verwaltung
- nw-news.de, 14.3.2014, „Konsequenzen aus Mindener Urteil ziehen“ Grüne fordern runden Tisch zu Grundschulen
- nw-news.de, 15.2.2014, Bekenntnisschulen: Lösung gesucht. Grüne laden zur öffentlichen Diskussion.
- http://www.spd-paderborn.de, Die Paderborner Sozialdemokraten fordern eine umgehende Änderung der Anmeldepraxis an den Bekenntnisgrundschulen in Paderborn
sowie weitere Artikel auf dieser Webseite:
Das Thema Bekenntnisschulen spielt auch im Kommunalwahlkampf in Stadt und Kreis Paderborn eine Rolle. Hier einige Auszüge aus den Programmen:
DIP- Demokratische Initiative Paderborn (Stadt)
„Die DIP setzt sich ein für (…) eine Umstellung auf Gemeinschaftsschulen, konfessionsübergreifend“
Die Linke (Kreis)
„Außerdem fordern wir die Umwandlung aller öffentlich finanzierten katholischen und evangelischen Bekenntnisschulen, damit Integration nicht an Konfessionsgrenzen halt macht und die Weltanschauungsfreiheit aller Schüler und Eltern hergestellt werden kann. Damit würde zugleich die Diskriminierung konfessionsfreier Lehrer beendet, denen mit der bisherigen Regelung eine dauerhafte Anstellung an aus Steuermitteln finanzierten Schulen christlicher Trägerschaft verwehrt wird.“
Grüne
„Die Konfessionszugehörigkeit der Schüler*innen wird immer heterogener und die Anzahl der konfessionell gebunden Schüler*innen nimmt kontinuierlich ab. Das gilt auch für Paderborn. Im Schuljahr 2012/2013 wurden 46,3 Prozent der Grundschüler*innen als katholisch, 22,7 Prozent als evangelisch und 9,7 Prozent als islamisch in den Schuldaten geführt. 14,3 Prozent der Schüler*innen sind ohne Konfession.
Von den 22 Paderborner Grundschulen in städtischer Trägerschaft sind 14 Bekenntnisschulen. Wir Grüne wollen, dass Kinder die nächstgelegene Grundschule nach dem Prinzip „kurze Beine, kurze Wege“ besuchen können, ohne gezwungen zu sein, sich in einer bestimmten Konfession erziehen zu lassen, und ohne Verpflichtung, den Religionsunterricht besuchen zu müssen.
Unsere Landesverfassung betont: „In Gemeinschaftsschulen werden Kinder auf der Grundlage christlicher Bildungs- und Kulturwerte in Offenheit für die christlichen Bekenntnisse und für andere religiöse und weltanschauliche Überzeugungen gemeinsam unterrichtet und erzogen.“ Diese Werteorientierung sollte an allen Grundschulen gewährleistet sein.
Wir begrüßen es, dass die grüne Landtagsfraktion einen Arbeitsprozess unter Einbeziehung der Kirchen aufgenommen hat, um in der Frage der Bekenntnisschulen zu neuen schulrechtlichen Regelungen zu kommen. Das Quorum zur Umwandlung durch Eltern muss abgesenkt werden und auch die Kommunen sollen die Möglichkeit erhalten, Bekenntnisschulen umzuwandeln, wenn die Mehrheit der Kinder längst nicht mehr der Konfession angehört. In Paderborn brauchen wir einen runden Tisch zur Frage der Bekenntnisschulen, mit der Stadtschulpflegschaft und weiteren in der Schule beteiligten Gruppen, um die Umwandlungsprozesse voranzubringen.
Zudem soll die Verpflichtung zur Teilnahme am bekenntnisorientierten Religionsunterricht aufgehoben werden. Dafür soll ein Fach wie Ethik zusätzlich in der Grundschule eingerichtet werden.“
Die Position der SPD ist ebenfalls eindeutig. Die SPD-Fraktion im Stadtrat war es, die mit einem Antrag die Verwaltung zu einer Umwandlung der Bekenntnisschulen aufgefordert hat.