Der Landtag NRW zum Thema Bekenntnisgrundschulen

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Zum Thema Bekenntnisgrundschulen im Landtag Nordrhein-Westfalen

Am 11. März 2010 fand im Landtag Nordrhein-Westfalens eine Aktuelle Stunde zum Thema Bekenntnisschulen statt. Wir erinnern uns: Es regierte Rüttgers zusammen mit der FDP, das Land stand kurz vor der Wahl. Am 2. März erschien ein Zeitungsartikel, in dem von Kritik der Grünen im Rahmen ihres Wahlkampfes an Konfessionsgrundschulen berichtet wurde. Dies nahm die Regierungskoalition zum Anlass, eine aktuelle Stunde zum Thema im Landtag einzuberufen (s. Protokoll der Landtagsdebatte bzw. Mitschnitt).

Im Verlauf der Debatte bestätigte die damalige Schulministerin Barbara Sommer (CDU), dass im Fall eines Anmeldeüberhangs Probleme bestehen (sie bezog sich auf die Katholische Grundschule in Bonn-Buschdorf): „An der Stelle knackt es und da müssen wir sehen was wir tun können„.

Sie stellt sich energisch dem Bild einer bekenntnishomogenen Schule entgegen (was ja eigentlich das Wesen der Bekenntnisschule ausmacht):

„Häufig stellt man sie – und dagegen wehre ich mich – in eine bestimmte Ecke als eine Schule, die nur mit jungen Menschen lebt, die ein bestimmtes Bekenntnis haben. Das ist nicht der Fall.

Ansonsten erklärte sie überraschend,

„dass sie [gemeint ist tatsächlich die Bekenntnisschule] sich gerade Schülerinnen und Schüler mit Zuwanderungsgeschichte und Kindern mit anderen Bekenntnissen öffnet. Das macht dieses besondere Profil dieser Schule aus. Es ist also keine Schule – das möchte ich an dieser Stelle betonen –, die über eine geschlossene Gesellschaft verfügt, und das – ich sage es noch einmal, weil es mir wichtig ist – darf auch nicht sein.“

Wenn Frau Sommer sagt: „ich glaube, dass es gerade ein christlicher Auftrag ist, sich auch allen anderen Konfessionen, anderen Kulturen und anderen Religionen zu öffnen“ so klingt das nach einem Plädoyer für die gemeinsame Unterrichtung aller Kinder an Gemeinschaftsschulen. Ist es aber nicht.

Frank Sichau von der SPD bekannte sich klar zu den Bekenntnisschulen, sprach aber ebenso klar die bestehenden Probleme an:

„Es gibt natürlich auch ein spezielles Bekenntnisschulleiterproblem; das muss man schlichtweg sehen. Dies führt in der Fläche – das kann man nachweisen – zu Umwandlungsanträgen nicht der Grünen, sondern der Eltern, weil sie endlich eine Schulleitung haben wollen.“

Sichau erwähnte auch „dass es im Bereich der Gemeinschaftsgrundschulen zuweilen einen hohen Migrationsanteil aus der europäischen Peripherie gibt“ und kritisierte die Aufhebung der Schulbezirksgrenzen: „Die These des neoliberalen Kollegen – ich habe Sie gerade angesprochen, Herr Witzel – von der sogenannten integrativen Wirkung der Auflösung der Grundschulbezirke wird durch die Wirklichkeit falsifiziert.“

Etwas unklar seine Stellungnahme zur religionsbedingten Diskriminierung bei der Aufnahmesituation an Bekenntnisgrundschulen: „Wir gehen davon aus – das ist ein anderes Problem –, dass Art. 13 der Landesverfassung – wenn der Weg ansonsten unzumutbar ist – im Ergebnis keine Probleme macht, auch wenn wir von solchen wissen. Die Ergebnisse waren bisher zufriedenstellend.“ Art. 13 besagt: „Wegen des religiösen Bekenntnisses darf im Einzelfalle keinem Kinde die Aufnahme in eine öffentliche Schule verweigert werden, falls keine entsprechende Schule vorhanden ist.“

Die Abgeordnete Sigrid Beer (Die Grünen) ging ausführlich auf die Petition der Initiative „Kurze Beine – kurze Wege“ ein (s. auch als Video):

„Kurze Beine, kurze Wege: Seit August 2009 liegt im Landtag unter diesem Titel eine Petition von Eltern aus Bonn mit 565 Unterschriften vor. Dort geht es um die Zwangsauflösung der Grundschulbezirke und die sich daraus ergebenden Probleme. Denn für einen Großteil der Schülerinnen ist die freie Schulwahl in der Tat eingeschränkt. Der Kollege Sichau hat es zu Recht ausgeführt. Es geht nicht um Durchschnittswerte, sondern es geht um die Probleme vor Ort. Die packen wir an, auf die gucken wir. Darüber müssen wir miteinander reden. Ich weiß, dass zumindest auch die Ministerin die Probleme sieht und darüber reden will und reden wird.

Wogegen wenden sich eigentlich die Eltern in Bonn? – Zum Beispiel dagegen, dass es eine Des­integration im Stadtviertel gibt, denn in den Stadtteilen mit einer an sich ganz normalen Bevölkerungsmischung, aber einem hohen Anteil an Bekenntnisschulen, werden jetzt die sogenannten Brennpunktschulen entstehen, weil sich die Elternströme komplett teilen und Eltern an Bekenntnisschulen keinen Platz bekommen, obwohl sie Zaun an Zaun dort wohnen.

In dieser Initiative haben sich katholische, evangelische und nichtkonfessionelle Eltern zusammengefunden, weil sie gemeinsam an diesem Problem arbeiten wollen. Sie möchten, dass ihre Kinder gemeinsam leben und beschult werden und es bei der Aufnahme von Kindern keine Diskriminierung gibt, weil es um den Zusammenhalt in dieser Gesellschaft geht.

Deshalb ist es auch richtig, dass wir in unserem Programm sagen: Bei der Aufnahme an Grundschulen dürfen Kinder eben nicht aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit diskriminiert und ausgeschlossen werden. Wir haben den Eindruck, dass auch die Kirchen wollen, dass in dieser Gesellschaft soziale Segregation nicht noch weiter zunimmt.“

Michael Solf (CDU) erklärte als schulpolitischer Sprecher seiner Fraktion, dass es kein Problem gebe:

„Das Einzige, was Eltern tun müssen, die ihr Kind an einer solchen Schule anmelden, ist, schriftlich zu versichern, dass sie mit diesem Schulprofil einverstanden sind. In Nordrhein-Westfalen tun das Hunderttausende von Eltern: viele, weil sie gläubig sind, viele aber auch, weil sie die jeweilige Schule einfach schätzen. […]

Die Behauptung der Grünen, die mehr als 1.000 staatlichen Bekenntnisgrundschulen hätten eine restriktive Aufnahmepraxis, ist falsch und letztlich sogar unverschämt. Denn die Schulleitungen gehen mit der Aufnahme der Kinder genauso verantwortungsvoll um wie die Schulleitungen aller anderen Grundschulen. All das geschieht selbstverständlich unter den Augen der ebenfalls staatlichen Schulaufsicht und unter den Argusaugen der Schulträger – fair und nach jahrzehntelanger Praxis: Geschwisterkinder werden bevorzugt und Kinder, die nahe bei der Schule wohnen, möglichst auch.

Aber natürlich müssen auch Bekenntnisschulen manchmal abweisen. Das hat aber nichts mit Religion, mit Diskriminierung oder mit Menschenverachtung zu tun. Denn auch in Zeiten, in denen die Kinderzahlen zurückgehen, gibt es Schulen, die mehr Anmeldungen verzeichnen, als sie Plätze haben. Warum ist das so? Das sind Schulen, die einen besonders guten Ruf haben oder ein spezielles Angebot vorhalten. In diese Kategorie gehören die Bekenntnisschulen, und zwar häufig dort, wo es nur wenige gibt. Dort kommt es dann notwendigerweise zu Abweisungen.

Daraus könnte man schlussfolgern, dass an besonders guten Schulen Bekenntniskinder bevorzugt werden was man aber nicht als Diskriminierung von Nichtbekenntniskindern werten darf.

Aber das gilt nicht nur für Bekenntnisschulen. Nehmen Sie das Beispiel der Montessorischulen. Sie machen ein relativ seltenes und von vielen Eltern geschätztes Angebot. Würden Sie, sehr verehrte Damen und Herren von den Grünen, behaupten, diese Schulen würden Kinder diskriminieren, wenn sie nicht alle aufnehmen können?“

Nein, das ist in der Tat abstrus: An Montessorischulen gelten anders als an Bekenntnisschulen die gewöhnlichen Kriterien der AO-GS (Schulweg, Geschwisterkinder, ausgewogenes Mädchen/Jungen-Verhältnis etc.), nicht das Bekenntnis (von dem in der AO-GS nichts steht).

Weitere Informationen über die Debatte finden sich unter http://www.kirchenhasser.de/schulen/folgenlose-rhethorik-um-nrw-bekenntnisgrundschulen


Fragen und Antworten zum Thema

Antwort der Schulministerin Barbara Sommer (CDU) auf die Kleine Anfrage von Renate Hendricks (SPD) (Landtags-Protokoll vom 09.09.2009, S. 15031), „Warum hält die Landesregierung an einem nicht rechtskonformen Anmeldeverfahren an den Bekenntnisschulen fest?“

Die Antwort der damaligen Schulministerin ließ keinerlei Bereitschaft des Ministeriums erkennen, die geltende Aufnahmepraxis zu ändern. Angesichts der Bonner Situation und 565 Unterschriften für die Petition wirkt es wie blanker Hohn, wenn die Ministerin sagt:

„Aus meiner Einschätzung hat die jetzt geübte Praxis der Bezirksregierungen zur Aufnahme in die Bekenntnisschulen keine Probleme hervorgerufen. Das wird auch durch die wirklich geringe Anzahl von Elternklagen auf diesen Sachverhalt bezogen untermauert.“

Antwort auf Kleine Anfrage Renate Hendricks (SPD, 27.04.2009):
Aufnahmepraxis an Bekenntnisgrundschulen in NRW

Antwort auf Kleine Anfrage Renate Hendricks (SPD, 14.12.2007):
Wegfall der Regelschulbezirke – Schulprofil katholisch

Weitere Informationen zum Thema auf den
Webseiten der Landtagsabgeordneten Renate Henricks

Antwort auf Kleine Anfrage Sigrid Beer (Grüne, 18.8.2008),
Wie entwickelt sich der Anteil von Kindern mit Migrationshintergrund an den Bekenntnisgrundschulen?

Antwort auf Kleine Anfrage Sigrid Beer (Grüne, 16.05.2007),
Will die Landesregierung nur die kleinen Bekenntnisgrundschulen erhalten, Gemeinschaftsgrundschulen jedoch nicht?

Antwort auf Kleine Anfrage Heinz Sahnen (CDU, 04.01.2006),
Umwandlungsverfahren von Bekenntnisschulen in Gemeinschaftsgrundschulen

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