In Emmerich setzt sich der Leiter einer katholischen Bekenntnisgrundschule für die Umwandlung der Schule in eine Gemeinschaftsgrundschule ein. Nicht etwa, weil er vom katholischen Glauben abgefallen ist, sondern weil er überzeugt ist, dass dies für seine Schule mit über 40% nichtkatholischen Schülerinnen und Schülern die geeignetere Schulart wäre.
Heribert Feyen, seit elf Jahren Rektor der katholischen Liebfrauen-Grundschule, wirbt unverdrossen für Information, Transparenz und Toleranz an seiner Schule. Der Vrasselter sieht sich in der Rolle des Einzelkämpfers. Im Grunde geht es ihm um die Zukunft seiner Schule in einer veränderten Welt. Eine gedeihliche Zukunft für alle sieht er eher als städtische Gemeinschafts-Grundschule gewährleistet.
[…] Und so wiederholt Feyen gebetsmühlenartig sein Credo: „Es gibt keine Nachteile für die Schule, weder in finanzieller, organisatorischer oder ideeller Hinsicht.“ Sodann listet er einige Pluspunkte einer Gemeinschaftsschule auf, die in seinen Augen für alle von Segen wären:
„Weiterhin Schulgottesdienste, Kontaktstunden, Beten, katholischer und evangelischer Religionsunterricht.“
„Bessere Möglichkeiten, Lehrer einzustellen und Leitungsstellen zu besetzen.“
Der Westen, Emmerich, 20.9.2011, Den lieben Gott nicht vertreiben, siehe auch Rheinische Post, 21.9.2011, Katholisch: 65 Eltern dagegen
Klare Worte eines Schulleiters in Emmerich, der offenbar daran verzweifelt, dass er nicht die Lehrkräfte einstellen darf, die dafür am besten geeignet sind. Im Juli 2011 schrieb Feyen einen Brief an die Eltern seiner Schule, als bewährte Lehrerinnen nicht zum Bewerbungsverfahren für eine offene Stelle zugelassen wurden, wie die rheinische Post berichtet:
„Für diese Stelle hätten sich auch gerne junge Kolleginnen aus unserem Lehrpersonal beworben, die bisher als Vertretungslehrer tätig waren“, schreibt Feyen. „Sie waren aber am Bewerbungsverfahren nicht zugelassen, weil nur Menschen katholischen Bekenntnisses sich an unserer katholischen Grundschule bewerben können.“
Ärgerlich, weil so personelle Kontinuität verhindert worden ist. Und: Früher wurden die Lehrer durch das Emmericher Schulamt zugewiesen, schreibt Feyen. Da ging es weniger streng zu. An der Liebfrauenschule gibt es nämlich auch evangelische Lehrer.
Feyen hat den Eltern aus diesem Anlass die Daten von seiner Schule mitgeteilt.
268 Kinder aus 21 Nationen besuchen die Schule.
157 von ihnen sind katholisch.
46 sind evangelisch.
65 Kinder haben ein anderes religiöses Bekenntnis oder gehören keiner Glaubensgemeinschaft an.Die Eltern haben es in der Hand, den Zusatz der Bekenntnisschule zu streichen. Ein Fünftel der Eltern müsste einen schriftlichen Antrag stellen, anschließend gäbe es eine Abstimmung: Würden mehr als zwei Drittel der Änderung zustimmen, wäre sie beschlossen.
Feyen äußert in seinem Brief Sympathie für die Idee. Er sieht angesichts der Zahlen eine veränderte Lage an seiner Schule. Denn dort gibt es keinen evangelischen Religionsunterricht, auch keinen Religionsunterricht für die Kinder mit anderem Bekenntnis. Obwohl beinahe die Hälfte der Kinder nicht katholisch sind.
Würde aus der Liebfrauenschule eine Gemeinschaftsschule, wäre dies anders. Und es gäbe keine Probleme mehr bei der Besetzung von Lehrerstellen.
siehe: RP Online, 14.7.2011, Emmerich: Wie lange noch katholisch?
Dem ist nichts hinzuzufügen. Außer vielleicht, dass die Verwaltungspraxis mit Sicherheit nicht der Intention der Verfassungsväter entspricht. Der Gesetzgeber (also der Landtag NRW) ist dringend aufgerufen, das Schulgesetz an die gesellschaftliche Realität in Nordrhein-Westfalen anzupassen.
Sie können diese Forderung unterstützen, indem Sie unsere Petition unterzeichnen!
Ein Tag später – klar, dass der katholische Stadtpfarrer am folgenden Tag seine Gegenerklärung lanciert:
Peter Kossen: „Ich glaube nicht, dass für die Kinder mit einem anderen Bekenntnis ein Nachteil entsteht. Ein profiliertes Angebot an einer Schule sehe ich im Gegenteil eher als Vorteil an. Das ragt aus den anderen Angeboten möglicherweise heraus.“
[…] Anlass für den Brief von Feyen könnte gewesen sein, dass die Besetzung einer Stelle mit Vertretungslehrern, die an der Schule zeitweise eingesetzt waren, scheiterte. Der Grund: Sie waren nicht katholisch. Was aber Voraussetzung an einer Bekenntnisschule ist.Früher hatte das Emmericher Schulamt auch evangelische Lehrer zugewiesen. Sie arbeiten heute noch dort. Seit es vom Land die sogenannte „schulscharfe Ausschreibung“ gibt, ist das so nicht mehr möglich. Kandidaten können sich direkt für eine Schule bewerben und werden nicht mehr zugewiesen. Das kann ein Vorteil sein, bedeutet in diesem Fall allerdings, dass die Bedingungen nicht erfüllt sind, wenn ein Kandidat beispielsweise evangelisch ist.
RP Online, 15.7.2011, Kossen: Liebfrauen sollte so bleiben
Auf das Problem der Stellenbesetzung durch qualifizierte, aber bekenntnisfremde Lehrkräfte geht der Pfarrer allerdings nicht ein.
Auch die Schulpflegschaft bekennt sich zur Bekenntnisschule und sieht keinen Änderungsbedarf. Interessant am Rande, dass der Zeitungsartikel darauf hinweist, dass die Schulpflegschaft bald neu gewählt wird. Noch interessanter, dass der Artikel darauf hinweist, dass durch das offenbar neue Prinzip der „schulscharfen Ausschreibungen“ das Konfessionskriterium verbindlich geworden ist, während den Schulen zuvor auch bekenntnisfremde Lehrkräfte zugewiesen wurden.
Verständnis für Feyen hat Hans-Hermann Buyken. Er ist Schulrat für die Grundschulen im Kreis: „Auch eine Gemeinschaftsschule kann christliche Grundsätze aufnehmen. Da würde sich nichts ändern. Herr Feyen denkt an die Zukunft, wenn gutes Personal vielleicht nicht eingestellt werden kann, weil die Leute nicht katholisch sind. Früher wurden die Lehrer vom Schulamt an die Schule geschickt. Auch wenn sie evangelisch waren. Heute werden die Stellen ausgeschrieben. Und da ist eine Voraussetzung die Konfession.“
RP Online, 18.7.2010, „Wir wollen, dass es so bleibt“
UPDATE DEZEMBER 2011
RP Online, 24.12.2011, Feyen warnt vor Nein:
„Ich möchte als Schulleiter keine Kinder bei der Anmeldung ablehnen müssen, weil sie nicht katholisch sind, wohl aber in der Nähe unserer Schule wohnen“, so Feyen.
Der Hintergrund: Die Liebfrauenschule ist bei Eltern stark nachgefragt. Die Politik überlegt eine Beschränkung der Schülerzahl an Liebfrauen, um andere Grundschulen zu sichern. Die Folge wäre dann, dass der Platz für nicht-katholische Kinder knapp werden könnte.
Da genug Eltern einen Antrag gestellt haben, die Schule umzuwandeln, wird im Januar abgestimmt. Als Begründung Feyens wird angeführt:
Die Entscheidung der Eltern könne mehr Möglichkeiten bei der Auswahl von Fachpersonal bedeuten, mehr Stützung in der unterschiedlichen religiösen Ausbildung der Kinder und nicht zuletzt auch zu einem noch besseren, toleranteren Miteinander beitragen.
Der Westen, 27.12.2011, Pro und Contra werden abgewogen
Gelassen gibt sich auch die katholische Kirche vor Ort:
[Pastoralreferent Michael Beermann] glaubt, dass eine Abkehr der Schule vom Bekenntnis für die Schüler kein umwälzendes Ereignis wäre. „Auch in einer katholischen Bekenntnisschule wird nicht permanent das ,Vater unser‘ gebetet. Es würde keinen anderen Unterricht geben als vorher“, machte er klar. „Entscheidend ist der Geist an einer Schule.“ […] Es müssten wirklich mindestens zwei Drittel aller Eltern für die Veränderung sein und auch zur Wahl gehen. „Das ist doch eine recht hohe Hürde“, meint Pastoralreferent Beermann.
Der Westen, 10.12.2011, Kirche: Geist der Liebfrauenschule bleibt
siehe auch Der Westen, 6.12.2011, Eltern werden über Schule abstimmen