4.9.2013, 21:30
OVG NRW: Diskriminierung von Grundschülern aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit ist erlaubt
Das Oberverwaltungsgericht hat in seinem Eilentscheid klargestellt: Es ist in Nordrhein-Westfalen mit Recht und Gesetz vereinbar, dass die Bonifatiusschule Paderborn die Aufnahme eines Schulanfängers ablehnt, weil er muslimisch ist.
Die Bonifatiusschule ist eine öffentliche katholische Bekenntnisschule, an der aber nur 42,5% der Schülerinnen und Schüler katholisch sind. 15 von 23 Grundschulen in Paderborn sind solche Schulen. Sie befinden sich in Trägerschaft der Stadt und werden zu 100% öffentlich aus allgemeinen Steuergeldern finanziert. Es fließt kein Cent aus Kirchensteuermitteln in diese Schulen.
Auf ihrer Homepage schreibt die Schule: „Wir begreifen es als bedeutende Aufgabe, unsere Schüler/innen unterschiedlicher sozialer und ethnischer Herkunft, die in vielschichtigen Traditionen verwurzelt sind, zusammenzuführen.“ Bülent (Name geändert) hat auf dieser Schule keinen Platz, weil er Muslim ist. Oder besser: Weil sein Vater nicht bereit ist, zu unterschreiben, dass Bülent den katholischen Religionsunterricht an der Schule besuchen muss. Bülents Schwester, die jetzt in die dritte Klasse kommt, muss übrigens nicht in den Religionsunterricht, ebenso wie viele andere Kinder. Bis vor kurzem hat die Schule sogar noch Abmeldeformulare dafür ausgeteilt.
Und jetzt? Die Stadt kann der Kirche nicht wie in Königswinter kündigen. Schließlich ist sie selbst Trägerin der Schule. Das OVG kritisiert die Stadt für ihre Schullandschaft und sagt, die Schulart müsse vom Stadtrat förmlich geändert werden. Aber wie? Dafür gibt es keine Rechtsgrundlage, laut Schulgesetz können nur Eltern eine Schule umwandeln – wenn 2/3 aller Eltern dies wollen. In den meisten Fällen ist das eine astronomisch hohe Hürde.
Was das alles mit Rosa Parks zu tun hat? Die Afro-Amerikanerin wurde am 1. Dezember 1955 in Alabama verhaftet, weil sie sich weigerte, ihren Sitzplatz im Bus für einen weißen Fahrgast freizugeben. Die Verhaftung war nach damaliger Gesetzeslage korrekt. Wir wissen heute, dass sie Recht hatte, obwohl sie damals im Unrecht war. Ihre Weigerung, aufzustehen, gilt als Anfang der Bürgerrechtsbewegung. An deren Ende stand die Gleichberechtigung schwarzer Amerikaner.
Zur Petition für Bülent:
Hintergrundinformationen:
- Spiegel Online, 4.9.2013, Urteil: Katholische Schule darf muslimischen Jungen ablehnen
- Informationen zum Eilentscheid des Oberverwaltungsgericht (OVG) Nordrhein-Westfalen auf Legal Tribune online am 4.9.2013
- Eilentscheid des Verwaltungsgerichts Paderborn vom 30.8.2013
siehe rechtsindex.de - Dr. Thomas Langer, Rechtsanwalt und Wissenschaftlicher Leiter des Instituts für Bildungsforschung und Bildungsrecht e.V. (IfBB):
Legal Tribune online, 23.8.2013: „Nach alledem stellt sich die Rechtslage im Fall der Bonifatius Schule eindeutig dar. Da sie in öffentlicher Trägerschaft betrieben wird, darf sie die Teilnahme an Religionsunterricht und Gottesdienst nicht zur zwingenden Aufnahmebedingung machen. - Spiegel-Online Artikel zum Fall vom 19.8.2013: http://www.spiegel.de/schulspiegel/bekenntnisschulen-muslimischer-junge-zum-religionsunterricht-a-917352.html
- Weitere Fakten zu öffentlichen Bekenntnisschulen in NRW