Schulartänderungen in Köln und Bonn – gibt es einen Trend zur konfessionslosen Schule?

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(zuletzt aktualisiert am 29.6.2012)

„Schulen werden zunehmend konfessionslos.“ So betitelt Welt Online einen Artikel am 28.3.2012. Und der Kölner Stadt-Anzeiger fragt: „Sind Konfessionsschulen eigentlich noch zeitgemäß?“ Die Kölner Schuldezernentin wird zitiert, sie sieht einen „gewissen Trend“ zur Umwandlung von katholischen in nicht konfessionsgebundene Schulen.

Insgesamt 3 Katholische Grundschulen in Köln (Volberger Weg,  Dagobertstraße/Célestin-Freinet-Schule und Overbeckstraße) wurden allein im Schuljahr 2011/12 von Eltern in Gemeinschaftsgrundschulen umgewandelt, damit sie wieder eine Leitung bekommen konnten. Ihnen ist „Qualifikation wichtiger als Konfession“ (WDR, 18.5.2012).

Im Erzbistum sieht man die Entwicklung mit gemischten Gefühlen. Natürlich sorge man sich, dass sich ein neuer Trend entwickle, sagte eine Bistumssprecherin. Bisher sei die Ursache für den Wechsel allerdings „nicht das Bestreben, nicht mehr katholisch zu sein“, sondern ein personalrechtliches Problem.

„Ganz und gar nicht“, antwortet die katholische Schulrätin im Erzbistum Köln, Andrea Gersch, auf die Frage, ob die katholische Schule in der Krise sei und es sich um einen Trend handeln könne (Domradio.de, 30.3.2012, „Mehr als eine Frage des Anstrichs„). Und tatsächlich, ganz wie im Fall des Kindergartens in Königswinter ist Auslöser der Umwandlung nicht, dass Eltern eine katholische Erziehung und Unterrichtung ihrer Kinder rundheraus ablehnen. Wohl aber lehnen sie es ab, dass bewährte und beliebte Kandidatinnen und Kandidaten für die Leitung der Schule sich allein deswegen nicht auf die Stelle bewerben dürfen, weil sie evangelisch oder ohne Bekenntnis sind. Die katholische Kirche versteckt sich hier hinter dem Schulgesetz. Schulrätin Andrea Gersch:

„Die Kirche hat gar keine „Aktien“ in diesem Spiel, weil es sich um eine Schule in kommunaler Trägerschaft handelt, d.h. es ist eine staatliche Schule, die gebunden ist an die Vorgaben des Schulgesetzes. Und das Schulgesetz besagt, dass eine Bekenntnisschule eben mit Leitungspersonen dieses Bekenntnisses besetzt werden muss.“

Bistumssprecher Heckeley bringt die Sache auf den Punkt:

„Die ganze Schule soll in einer Wolle gefärbt sein“, sagt der Bistumssprecher. Es sei keine Formalität, auf der man beharre. Was das in der Praxis bedeutet, bleibt offen. Die Vermittlung christlicher Werte oder das Leben mit dem christlichen Jahreskalender allein ist es nicht. Als praktisches Beispiel nennt Heckeley nur die Feier des Gottesdienstes. „Es geht nicht nur darum, dass ein Schulleiter den Gottesdienst ermöglicht. Er muss die Eucharistie auch mitfeiern können.

Die zuständige Schulministerin Sylvia Löhrmann will an der Situation nichts ändern. Sie beruft sich in einem Brief an die Initiative auf „staatskirchenrechtliche Grundentscheidungen der Verfassung“. Zum Unverständnis der Eltern und der weiteren Öffentlichkeit trägt bei, dass die Kirche keinen Cent zur Finanzierung der Schule beitragen muss. Offensichtlich ist den Eltern eine gute Leitung der Schule wichtiger als der Status der Bekenntnisschule, entsprechend konsequent ist es, eine Schulartänderung in die Wege zu leiten.

Hintergrund: Schulleitermangel in NRW

Es gibt in NRW einen großen Mangel an Schulleitern. Die Rheinische Post berichtet, dass an Grundschulen des Landes über 800 Funktionsstellen nicht besetzt sind. Die Leitungsstellen an Grundschulen sind wenig begehrt, weil sie mit erheblicher zusätzlicher Verantwortung und Arbeitsaufwand verbunden sind, ohne entsprechend vergütet zu werden. Überproportional betroffen sind davon Konfessionsschulen (s. Artikel „Immer wieder: Umwandlung wegen Leitungsproblem„). Wenn es also geeignete nichtkatholische Bewerber/inn/en gibt, wandeln Eltern immer wieder ihre Schule um, um das Leitungsproblem zu lösen. Ein weiterer Vorteil der Umwandlung: Laut Schulgesetz müssen sogar alle Lehrkräfte  dem Schulbekenntnis angehören „und bereit sein, an diesen Schulen zu unterrichten und zu erziehen.“ (SchG § 26 Abs. 6)  Weil er sich nicht damit abfinden konnte, wiederholt gute Lehrer/innen nicht dauerhaft an seiner Schule anstellen zu dürfen, forderte 2011 der Leiter einer KGS seine Eltern auf, die Schule in eine Gemeinschaftsgrundschule umzuwandeln (s. KGS Liebfrauenschule Emmerich: Umwandlungsversuch gescheitert).

Schulleitermangel als einziger Grund?

Nicht immer werden Konfessionsgrundschulen nur wegen des „Personalrechtsproblems“ umgewandelt, wie das Bistum es ausdrückt. Am Fall der KGS Kettelerschule lässt sich gut darstellen, dass die Identifikation mit dem römischen Katholizismus in seiner derzeit institutionalisierten Form vielleicht doch schwindet. Die Grundschule im Bonner Stadtteil Dransdorf wurde im März 2012 durch ein von Eltern eingeleitetes Abstimmungsverfahren in eine Gemeinschaftsgrundschule umgewandelt. Hauptgrund, so Initiativensprecher Sascha Krieger: „Wir wollen, dass die einzige Dransdorfer Grundschule ohne Einschränkung auch allen hiesigen Kindern zugänglich wird„.

An einer katholischen Grundschule erhalten katholische Kinder den Vorzug, auch wenn sie von außerhalb kommen. Darüber hinaus müssen alle Kinder unabhängig von ihrer Konfession bzw. Religion den katholischen Religionsunterricht besuchen. Tatsächlich sind aber von 197 Kindern an der Kettelerschule nur 79 katholisch – 73 werden als muslimisch eingestuft, der Rest ist evangelisch oder konfessionslos.

Natürlich spielt auch die Lehrereinstellungspraxis eine Rolle: Kürzlich habe eine kompetente Vertretungslehrerin an der Schule gearbeitet, die sich aber, weil nicht katholisch, nicht auf eine Stelle bewerben durfte. Das Umwandlungsverfahren gelang übrigens. Die Argumente der Eltern, die sich für einen Erhalt als katholische Bekenntnisschule aussprachen, überzeugten offensichtlich nur eine Minderheit sogar der katholischen Eltern: Aufgrund des hohen Quorums hätte es ausgereicht, wenn 66 der 79 katholischen Eltern bei der Abstimmung mit Nein gestimmt hätten oder ihr einfach ferngeblieben wären. Tatsächlich gab es nur 33 Stimmen gegen eine Umwandlung.

Heißt das, die Eltern wollen nicht mehr katholisch sein? Nein, darum geht es nicht, da hat das Erzbistum sicher recht. Aber die Antwort vieler – auch katholischer – Eltern an der Kettelerschule war: Es lässt sich gut mit dem eigenen Glauben vereinbaren, wenn das eigene Kind eine Gemeinschaftsgrundschule besucht, an der Allen Religionsfreiheit gewährt wird.

Auch ein Kommentator des Kölner Stadt-Anzeigers setzt sich für eine Änderung der Regelungen ein:

„Aber auch die Hürden im Bewerbungsverfahren gehören auf den Prüfstand. Dazu gehört das anchronistische Reglement für katholische Grundschulen. Was nach dem Krieg als besondere Konstruktion in der britischen Besatzungszone entwickelt wurde, kann nicht mehr für eine so große Zahl an Schulen gelten, die Kindern in einer von Vielfalt geprägten Großstadt ins Leben helfen sollen.

Katholische Grundschulen sind keine Privatschulen; die Kirche ist nicht der Träger, sondern die Stadt. Sie werden über allgemeine Steuermittel finanziert, die Kirche zahlt nichts. Wenn die Kirche also nicht selbst ihre Ausschlusskriterien für nicht-katholische Schulleiterkandidaten lockert, ist das Engagement selbstbewusster Eltern gefragt.“
(Kölner Stadtanzeiger, 23.3.2012, Niedrige Anreize für Schulleiter)


Weitere Artikel und Berichte zum Thema:

„… Bei Stadt und Bezirksregierung geht man davon aus, dass die erwartete konfessionelle Bindung eine weitere Hürde bei der Interessentensuche ist. Gersch bestreitet das. So ist aus Sicht der Kirche unverständlich, dass die Eltern an den beiden Kölner Grundschulen so schnell nach dem Freiwerden der Leitungsstellen den Konflikt gesucht hätten. …“

Hier sei die Anmerkung gestattet,  dass an beiden Schulen die Leitungsstellen wiederholt erfolglos ausgeschrieben wurden. Gleichzeitig stehen an den Schulen Bewerberinnen bereit, die aber nicht katholisch sind. 

Die Entscheidung der Eltern kommt einer kleinen Revolution gleich. Der Stadtteil Rath-Heumar ist ländlich und bürgerlich geprägt, der Anteil an Katholiken ist überdurchschnittlich hoch, der Anteil an Migranten sehr niedrig. Der Wahlkreis ist eine CDU-Hochburg. Dass gerade hier Eltern die Umwandlung einer katholischen Schule durchsetzen können, hat Signalwirkung. Die nächste Schule steht schon in den Startlöchern: Die Elternvertreter der Katholischen Grundschule in der Neuehrenfelder Overbeckstraße haben in kürzester Zeit die erforderliche Anzahl an Unterschriften bereits gesammelt, damit die Elternabstimmung stattfinden kann. Auch hier ist die Schulleiterstelle vakant. Außerdem hätten in der Vergangenheit gute Lehrer immer nur befristete Verträge bekommen, weil sie nicht katholisch seien, heißt es. Kölns Schuldezernentin Agnes Klein sieht bereits einen Trend. Es sei schwer genug, Interessenten für eine Grundschulleitung zu finden. Die gesetzlichen Vorgaben für katholische Schulen machen die Suche noch schwieriger.

[…] Ägidius Engel, Sprecher des Erzbistums Paderborn, betont: „Wir können Grundprinzipien unseres Glaubens nicht aufgeben, sondern müssen auch gegen heftiger werden Stürme versuchen, unsere Position zu halten.“ Das werde nicht einfach, weil der Mainstream ein anderer sei. Die Konsequenz: „Es mag sein, dass die Kirche sich aus bestimmten Bereichen zurückziehen muss.“ So weit ist es noch nicht. Auch nicht bei den Schulen. Selbst wenn sich die Kirche manchmal schon zurückzieht. Zum Beispiel in Lennestadt. Dort fand sich für die katholische Marienschule in Saalhausen über mehrere Jahre kein Schulleiter. Der einzige Bewerber kam als evangelischer Christ nicht zum Zuge. Und dies lag nicht am Einspruch der Kirche, sondern am nordrhein-westfälischen Schulgesetz, das bei Bekenntnisschulen – das sind ein Drittel der Grundschulen in NRW – die Lehrer dem jeweiligen Bekenntnis angehören müssen. Bei normalen Kollegiumsmitgliedern und stellvertretenden Leitern werden zwar Ausnahmen toleriert, nicht aber bei Schulleitern. In diesem Fall legte deshalb die Bezirksregierung ihr Veto ein, bat Lehrer, Eltern und Bistum zum Runden Tisch. Resultat war die Umwandlung in eine Gemeinschaftsgrundschule, der, wie vorgeschrieben, im vergangenen Herbst mehr als zwei Drittel der Eltern zustimmten. […]

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