Sind Bekenntnisgrundschulen noch zeitgemäß?
Landespolitik und Kirchen beziehen Stellung
Hören Sie sich den Mitschnitt der gesamten Podiumsdiskussion an:
Nur in NRW sind rund ein Drittel der ausschließlich öffentlich finanzierten Grundschulen an ein Bekenntnis gebunden, fast alle katholisch. Damit sind Einschränkungen für all jene Kinder und Lehrkräfte verbunden, die nicht dem Schulbekenntnis angehören. Hinzu kommt, dass diese Schulen Religion im Regelfall ausschließlich im jeweiligen Bekenntnis unterrichten, unabhängig davon, wie sich die Schülerschaft zusammensetzt. Die Stadtschulpflegschaft Bonn und die Initiative „Kurze Beine – kurze Wege“ haben die schulpolitischen Sprecherinnen der Landtagsfraktionen sowie Vertreter/innen der katholischen und der evangelischen Kirche am 19. November 2012 ins Bonn-Beueler Rathaus eingeladen, um über die Rolle der Bekenntnisgrundschulen in öffentlicher Trägerschaft in Nordrhein-Westfalen zu diskutieren.
Berichterstattung:
- General-Anzeiger Bonn, 20.11.2012, Bekenntnisgrundschulen: Lebhafte Diskussion auf dem Podium, Leserbriefe
- Evangelischer Pressedienst (epd), 20.11.2012, Bekenntnisgrundschulen in der Kritik – Elterninitiative und Landtagsabgeordnete diskutierten
Zitate aus der Diskussion
Renate Hendricks, MdL SPD (bildungspolitische Sprecherin)
„Wir können das Thema nicht angehen ohne die Kirchen, sondern nur mit den Kirchen.“
„Einen Großteil der Forderungen der Initiative können wir unterschreiben. Wenn sich die Zusammensetzung der Bevölkerung ändert, müssen auch die Schulen sinnvoll weiterentwickelt werden. Wir müssten die Verfassung ändern, das wollen wir an dieser Stelle nicht, aber wir müssen mit den Kirchen und gemeinsam im Landtag über die Bedingungen reden. Aus meiner Sicht ist das Quorum für die Umwandlung in Gemeinschaftsgrundschulen einfach zu hoch. Die SPD hat dazu parteiintern einen Antrag auf den Weg gebracht.“
Sigrid Beer, MdL Grüne (bildungspolitische Sprecherin):
„Es kann nicht sein, dass an der Frage der konfessionellen Zugehörigkeit Segregation entsteht, es kann nicht sein, dass gesellschaftliche Spaltung gefördert wird. Die Bekenntnisschule ist ein Instrument, um gesellschaftlich zu sortieren. Deswegen müssen wir über die Anmeldekriterien und über das Quorum miteinander reden. Für eine Verfassungsänderung reichen die Mehrheiten nicht aus.“
„Die Hürden bei der Umwandlung sind in der Tat sehr hoch, bei 2/3 Quorum im Grundschulbereich, während es in der SEK I bei 1/3 liegt, darüber muss man sicherlich nachdenken, wenn die Frage der Verfassung weiter so besteht.“
„Die Kirche muss zur Kenntnis nehmen, wie sich Gesellschaft verändert.“
Klaus Kaiser, MdL CDU (stellv. Vorsitzender der CDU-Landtagsfraktion)
„Die Ausländerquote an Katholischen Grundschulen ist meines Wissens ausreichend hoch.“
„Ich glaube, es gibt keinen gesellschaftlichen Konsens, Bekenntnisschulen abzuschaffen.“
„Diskriminierende Tatbestände darf es nicht geben, es muss Wahlmöglichkeit gegeben sein. Wir müssen problemorientiert im Einzelnen vorgehen.“
Hans Immanuel Herbers, Dipl. Theol., Piratenpartei NRW
„Ich warte auf den Gesetzentwurf von Rot-Grün, dass wir andere Regeln über Bekenntnisgrundschulen kriegen.“
„Öffentliche Schulen müssen weltanschaulich neutral sein. Es kann nicht sein, dass eine Aufnahmeerklärung auf eine öffentliche Schule in Nordrhein-Westfalen die Grundrechte außer Kraft setzt! „
„Die Kirchen müssen sich der Frage stellen, warum sie solche Privilegien im 21. Jahrhundert nach wie vor wollen.“
Yvonne Gebauer, MdL FDP (bildungspolitische Sprecherin)
„Ich stehe zu Bekenntnisgrundschulen, ich bin aber an Lösungen für die Probleme interessiert. Bekenntnisschulen und Gemeinschaftsschulen dürfen nicht gegeneinander ausgespielt werden. Es obliegt auch immer den Schulleitungen, wie sie mit den Fällen umgehen. Die Probleme müssen vor Ort gelöst werden, es gibt keinen Grund, Bekenntnisschulen abzuschaffen.“
„Man muss in Dialog mit den Kirchen gehen“.
„Wir müssen Probleme erkennen, diese Probleme gibt es und dieser Abend zeigt, dass Probleme angegangen werden.“
Robert Buchholz, Kath. Schulreferent Bonn/Euskirchen
„Bekenntnisschulen sind ein wichtiger Teil einer pluralen Gesellschaft. Eine GGS erzieht auch, aber die KGS kann mehr bieten. In einer KGS prägt das Bekenntnis nicht nur den Religionsunterricht, sondern soll das gesamte Schulleben und den Unterricht in allen Fächern prägen.“
„Zur fachlichen Qualifikation gehört die Konfessionalität.“
„Wenn wir als Kirche es nicht schaffen, an den Schulen die Leitung zu besetzen, müssen wir in die Pötte kommen.“
„Es darf nicht sein, dass man in einem Ortsteil gezwungen wird auf eine Bekenntnisgrundschule zu gehen, wenn es keine Alternative gibt, damit ist der Bekenntnisgrundschulgedanke sogar pervertiert.“
„Wir müssen alle zusammenwirken, um Härten zu beseitigen.“
Rainer Pauschert, Kirchenrat, Evangelische Kirche im Rheinland
„Die GGS ist ein Standardmodell, das trägt.“
„Wo evangelisch drauf steht, soll auch evangelisch drin sein.“
„Ich bin berührt von den Einzelbeispielen, von denen Sie erzählt haben. Wir sollten – flapsig ausgedrückt – mitnehmen, welche Risiken und Nebenwirkungen die Konfessionsschulen haben, gleichzeitig sollten wir aber auch nicht das Kind mit dem Bad ausschütten.“
Dr. Christian Karaus, Rechtsanwalt (Schulrecht), Birnbaum & Partner
„Die Diskussion zeigt, dass man in der Weimarer Reichsverfassung nicht umsonst versucht hat, die Trennung von Kirche und Staat hinzubekommen.“
„Die Legitimation von Bekenntnisschulen ist in einer religiös weniger homogenen Gesellschaft zunehmend schwerer aufrechtzuerhalten.“
„Die demokratischen Hürden für Elternbeteiligung dürfen nicht zu hoch sein.“
Zum Thema Abmeldung vom Religionsunterricht an Bekenntnisschulen: „Wir sollten Regelungen finden, die für alle transparent und eindeutig sind.“
„Vieles lässt sich im Rahmen einfacher Mehrheiten ändern, dafür brauchen wir keine Verfassungsänderung.“
Moderation: Karl-Heinz Heinemann, Bildungsjournalist
Die Diskussion war thematisch in drei Abschnitte gegliedert:
Teil 1: Aufnahmekriterien an Bekenntnisgrundschulen
Teil 2: Lehrkräfte an Bekenntnisgrundschulen
Teil 3: Religionsfreiheit ernst nehmen