zuletzt aktualisiert am 6.1.2012 (Leserbrief R. Rösler)
- Leserbrief Max Ehlers, veröffentlicht am 23.11.2012
Vielen Dank für die Berichterstattung über die Podiumsdiskussion zu Bekenntnisgrundschulen. Es war in der Tat eine lebhafte Diskussion, nicht zuletzt aufgrund des bunt zusammengesetzten und engagierten Publikums. Die meisten Teilnehmer auf dem Podium vertraten aber keineswegs unüberwindbar gegensätzliche Positionen. Als Mitglied der veranstaltenden Initiative war ich positiv überrascht, dass alle anwesenden Politikerinnen und Politiker ebenso wie beide Kirchenvertreter die geschilderten Probleme sehr ernst genommen haben. Konkret geht es um die Benachteiligung konfessionsfremder Lehrkräfte, aus Konfessionsgründen unbesetzte Leitungsstellen, den Zwang zu Gottesdienstbesuch und Religionsunterricht und in vielen Einzelfällen als diskriminierend empfundene Aufnameentscheidungen an den ausschließlich staatlich finanzierten Grundschulen. Der Repräsentant der evangelischen Kirche im Rheinland, Rainer Pauschert, sprach treffend von „Risiken und Nebenwirkungen“ der Konfessionsgrundschulen. Man kann angesichts der landesweit zahlreichen von solchen „Nebenwirkungen“ betroffenen Lehrkräfte und Familien nur hoffen, dass das Versprechen aller auf dem Podium vertretenen Politiker zügig eingelöst wird, gemeinsam im Gespräch mit den Kirchen tragfähige Lösungen zu erarbeiten.
- Andrea Honecker (Vorsitzende der Katholischen Elternschaft Deutschlands im Erzbistum Köln), veröffentlicht am 26.11.2012
- Initiative „Kurze Beine – kurze Wege“, veröffentlicht am 1.12.2012
In einem Leserbrief vom 26.11.2012 wirft Andrea Honecker, Vorsitzende der Katholischen Elternschaft Deutschlands*, der Initiative „Kurze Beine – kurze Wege“ vor, diese hätte in ihrem Flyer und in ihrer Einladung zur Podiumsveranstaltung „Unwahrheiten“ verbreitet. Diese Unterstellung weisen wir entschieden zurück. Darüber hinaus wirft Frau Honecker unserer Initiative vor, Podiumsteilnehmer und andere Zuhörer durch Zwischenrufe und lautes Lachen brüskiert zu haben. Die gemeinsam von der Stadtschulpflegschaft und der Initiative gestaltete Podiumsdiskussion war eine öffentliche Veranstaltung mit knapp 100 Zuschauern*. Die Initiative ist nicht für die teils lauten Reaktionen des bunt zusammengesetzten Publikums verantwortlich zu machen. Wir als Elterninitiative wünschen uns eine sachliche Diskussion. Wir wollen die Situation an den öffentlich finanzierten Bekenntnisgrundschulen für die Schüler- und Elternschaft sowie für das Schulpersonal verbessern. Die Reaktionen aller auf dem Podium vertretenen Landespolitiker sowie der Kirchenvertreter belegen, dass diese sehr wohl um die Problematik dieser bundesweit einmaligen, nur noch in Teilen von NRW und Niedersachsen existierenden Schulart wissen.
Jeder Leser kann sich selbst einen Eindruck über die hier diskutierte Thematik verschaffen: Auf der Webseite der Initiative unter www.kurzebeinekurzewege.de findet sich ein vollständiger Mitschnitt der Veranstaltung sowie zentrale Aussagen der Podiumsteilnehmer. Wir als Initiative sind davon überzeugt, dass alle öffentlichen Schulen, also auch die zu 100% durch Steuergelder finanzierten Bekenntnisgrundschulen, allen Kinder und Lehrkräften gleichermaßen offen stehen müssen und dass es keinen Zwang zum Religionsunterricht oder zum Besuch des Gottesdienstes geben darf. Das ist aber an vielen Bekenntnisgrundschulen leider nicht der Fall und die Landespolitik ist aufgefordert, dies zu ändern.
Für die Initiative „Kurze Beine – Kurze Wege“
Silvia Bärwaldt, Karin Bißeling, Bea Buttler, Silke Dintera, Max Ehlers, Kemal Kaygusuz, Anja Niemeier, Jan Reche, Birgit Singhof, Dr. Birgit Wolz
*Berichtigungen:
Frau Andrea Honecker ist Vorsitzende der „Katholischen Elternschaft Deutschlands im Erzbistum Köln“, nicht des Dachverbandes „Katholischen Elternschaft Deutschlands“.
Laut ihrer Zählung waren es genau 76 Zuschauerinnen und Zuschauer.
Weitere, bislang unveröffentlichte Leserbriefe
- Dr. Birgit Wolz (Mitglied der Initiative)
Die Podiumsdiskussion „Sind Bekenntnisgrundschulen noch zeitgemäß“ hat für mich vor allem eines gezeigt: Kaum einer wagt es öffentlich zuzugeben, dass Bekenntnisgrundschulen für viele Eltern vor allem dann attraktiv werden, wenn der Anteil an Kindern mit Migrationshintergrund besonders gering ist. Religiöse Gründe für die Schulwahl sind oft vorgeschoben und auch die Kirchen verstecken sich dahinter. Wir brauchen aber „gemischte“ Schulen, weil Kinder frühzeitig lernen müssen, einander zu respektieren, unabhängig davon, welcher Herkunft und welchen Glaubens sie sind. Unsere beiden Kinder besuchen bewusst eine Gemeinschaftsgrundschule, weil wir verhindern wollten, dass sie in einer katholischen heilen Welt aufwachsen. Gelernt haben vor allem auch wir Eltern. Weil wir begreifen mussten, wieviele Vorurteile auch wir gegenüber Menschen mit Migrationshintergrund mit uns herumtragen, obwohl wir uns für fortschrittlich und tolerant hielten. Natürlich gibt es Probleme mit mangelnden Sprachkenntnissen, unterschiedlichem Sozialverhalten und religiösen und weltanschaulichen Differenzen. Aber unsere zunehmend buntere Gesellschaft wird nicht zusammenwachsen, wenn wir durch die Aufnahmepraxis der Bekenntnisgrundschulen, migrationsfreie Nischen schaffen und sich an den Gemeinschaftsgrundschulen die Problemfälle bündeln. Das ist in unserem Stadtteil leider der Fall, obwohl es sich ausschließlich um öffentliche Schulen in Trägerschaft der Kommunen handelt, denen eigentlich eine Diskriminierung aus religiösen Gründen durch das Grundgesetz verboten ist. Die rot-grüne Landesregierung muss diese Probleme endlich anpacken und ihren eigenen Forderungen nach Integration und Inklusion gerecht werden.
- Birgit Singhof (Mitglied der Initiative)
Zum Podiumsabend zum Thema: „Sind Bekenntnisgrundschulen noch zeitgemäß“ und ihre Berichterstattung darüber, möchte ich als Teilnehmerin dieser Veranstaltung meine Verwunderung zum Ausdruck bringen, wie wenig Konkretes zu diesem brisanten gesellschaftspolitischem Thema von den Podiumsteilnehmern zu hören war. Ich hätte mir gewünscht, dass die Koalition aus Rot-Grün die unglückselige Verwaltungsvorschrift zurücknimmt, die 2009 von der CDU-FDP-Landesregierung aufgelegt wurde und die dafür sorgt, dass öffentlich finanzierte Grundschulen (denn das sind Bekenntnisgrundschulen ja nun mal), Kinder aufgrund ihres Bekenntnisses ablehnen können. Integration und Inklusion sollten an unseren Grundschulen selbstverständlich sein. Diese Vorschrift steht dagegen. Ich habe nichts gegen Schulen in kirchlicher Trägerschaft, aber ich habe etwas dagegen, wenn öffentliche Schulen Ausgrenzung aufgrund von Religionszugehörigkeit betreiben können. Hier sind unsere Politiker aus meiner Sicht gefordert, im Grundgesetz verankerte Rechte wieder Realität werden zu lassen.
Warum die Überlegung, die Bekenntnisgrundschulen aus unserer Verfassung zu nehmen, von den verantwortlichen Politikern an diesem Abend völlig verworfen wurde, ist mir somit ebenfalls ein Rätsel. Wir sind das letzte Bundesland mit Niedersachsen, das sich Bekenntnisgrundschulen leistet. Selbst Bayern hat diese 1968 zugunsten von Gemeinschaftsgrundschulen aus der Landesverfassung gestrichen. Diese vermitteln schließlich auch – nachlesbar im Schulgesetz – ein christliches Wertebild. In NRW sind die Kirchen jedoch, so scheint es, übermächtig und können an den Bekenntnisgrundschulen über Schüleraufnahme, Lehrer,- und Schulleiterbesetzung sowie über das Religionsunterrichtsangebot bestimmen. Ich bin gespannt, welcher verantwortliche Politiker den Mut hat, ernsthaft den ersten Schritt zu gehen, Nordrhein-Westfalen im Grundschulbereich endlich zeitgemäß aufzustellen.
- Jan Hochbruck, Köln (als Antwort auf den Leserbrief Honecker)
Der Splitter im Auge des Anderen
Frau Honecker verwechselt hier etwas: die „Zwischenrufer“ waren keinesfalls Mitglieder der Initiative, sondern ein atheistischer Block – sehr ähnlich dem katholischen, der ebenfalls anwesend war und mit ostentativem Klatschen und Buh-Rufen bei den jeweils ihnen unliebsamen Beiträgen seinen Teil zur Turbulenz beitrug. Die Initiative Kurze Beine – kurze Wege hat seit ihrer Gründung keine einzige „Unwahrheit“ verbreitet, sondern einen sozialen und rechtlichen Missstand ins Licht der Öffentlichkeit gebracht: dass die Diskussion darüber lebhaft und engagiert war, beweist ihre Dringlichkeit und die Notwendigkeit der Veränderung, die sich einfach nicht mehr durch Hinhalten und „ist doch alles gut so“ aussitzen lässt.
- Reinhard Rösler, Bonn
In der Kontroverse wurde von Kirchenvertretern mehrfach auf die besondere Wertevermittlung hingewiesen, die auf Bekenntnisschulen stattfinde und ihre besondere Attraktivität ausmache. Allerdings wurde nicht näher erläutert, was diese Werte sind, denn zur Vermittlung von Werten, die sozusagen Allgemeingut sind, bedarf es keiner Bekenntnisschulen.
Welche Werte also werden an Bekenntnisschulen vermittelt, die säkulare oder Lehrkräfte einer anderen Glaubensrichtung nicht ebenso vertreten können? Welche Werte kann oder darf eine konfessionell gebundene Lehrkraft nur an einer passenden Bekenntnisschule leben und lehren? Und sind die Werte, die als Alleinstellungsmerkmale der betreffenden Bekenntnisschule gelten können, überhaupt Werte, die in unserer Gesellschaft erwünscht sind?
Kurz gefragt: Sind die Werte, zu deren Vermittlung es einer Bekenntnisschule bedarf, überhaupt wert, die weitreichenden staatlich finanzierten Privilegien diser Schulen (z.B. bei der Schüler- und Lehrerauswahl) zu rechtfertigen?