Neues aus Paderborn und aus dem Landtag Nordrhein-Westfalen
27.11.2013
Seit Bülent am Einschulungstag des Schulhofs verwiesen wurde, hat sich die Situation an der Paderborner Bonifatiusschule verschärft: Die Schule zwingt nun ALLE Kinder ungeachtet ihrer Religionszugehörigkeit, den katholischen Religionsunterricht zu besuchen – auch jene, die bislang davon befreit waren, nachdem deren Eltern in den Vorjahren entsprechende Abmeldeformulare unterschrieben hatten. Wir erinnern uns, es handelt sich um eine öffentliche katholische Grundschule, an der nur 45% der Kinder katholisch sind. Offenen Widerstand von Seiten der betroffenen Eltern gibt es nicht. Sie haben Angst, dass ihre Kinder andernfalls den Platz an der Schule verlieren. Die Angst ist begründet, schließlich erklärte das Schulministerium in einem Runderlass vom 5.11.2013 unmissverständlich: „Erklären die Eltern bei der Anmeldung, ihr Kind solle am Religionsunterricht im fremden Bekenntnis nicht teilnehmen, ist die Aufnahme in die Schule nicht möglich.“ In den vergangenen Jahren gab es mehrfach Versuche, Kinder in ähnlichen Fällen der Schule zu verweisen, auch wenn sie diese bereits seit Jahren besuchten (siehe zum Beispiel die Fälle von Fabian oder Zeynep).
Einige Eltern begannen derweil den Versuch, ihre Schule in eine Gemeinschaftsgrundschule umzuwandeln. Dieses Recht wird ihnen vom Schulgesetz ausdrücklich zugesichert. Die daran beteiligten muslimischen Mütter wurden nach uns vorliegenden Berichten von anderen Eltern jedoch angefeindet und ließen daher von ihrem Vorhaben ab.
Während sich also in Paderborn die Lage auf der Ebene einzelner öffentlicher Bekenntnisgrundschulen verschlechtert hat, wurde das Thema am 20. Oktober im Schulausschuss des Landtags von Nordrhein-Westfalen behandelt. Schulministerin Löhrmann wies dabei auf die oben bereits erwähnte Schulmail hin, deren Grundsätze gemeinsam mit den Kirchen erarbeitet worden seien.
Im Anschluss berichteten Abgeordnete von SPD und Grünen, sie seien mit Kirchenvertretern im Gespräch zum Thema. Sie berichteten, dass die Kirchen in diesen Gesprächen selbst einräumten, dass es Handlungsbedarf im Sinne einer Neuregelung gebe. Die Kirchen wollten bis Februar 2014 eine gemeinsame Stellungnahme erarbeiten. Wenn diese vorliege, solle es durch die Fraktionen eine Gesetzesinitiative geben.
Eine Streichung der Bekenntnisschulen aus der Landesverfassung ist momentan nicht abzusehen: Sowohl Armin Laschet (CDU) als auch Christian Lindner (FDP) schrieben uns als Vorsitzende ihrer Parteien, dass sie eine Abschaffung öffentlicher Bekenntnisschulen ablehnen. Der CDU-Landesvorsitzende zitiert dazu aus einem CDU-Beschluss von 2011: „Die bestehenden Bekenntnisschulen erfahren insbesondere auch bei bekenntnisfremden Eltern große Akzeptanz.“ Diese Aussage erscheint allerdings angesichts der Situation in Paderborn weltfremd. Interessant ist die Reaktion der Spitzen von SPD und Grünen: Kraft und Löhrmann ließen den an sie gerichteten Brief der Initiative „Kurze Beine – kurze Wege“ kurzerhand durch den für Staatskirchenrecht zuständigen Ministerialrat beantworten. Dieser belehrte uns: Unsere Forderungen seien mit den durch Landesverfassung und Schulgesetz bestimmten Merkmalen von Bekenntnisschulen nicht vereinbar. Richtig. Genau darum hatten wir den Parteivorsitzenden auch geschrieben, wir wollen, dass sich die Parteien und unsere Volksvertreter für eine Änderung der diskriminierenden Gesetze einsetzen.
Wir hatten geschrieben:
Wir appellieren dringend an Sie und alle demokratischen Kräfte im Landtag, sicherzustellen, dass ein Fall wie jener in Paderborn nicht mehr vorkommen kann. Es muss gewährleistet sein, dass Familien ihre Kinder gemeinsam mit anderen Kindern aus der unmittelbaren Nachbarschaft in die gleiche Grundschule schicken können. Unser öffentliches Schulsystem muss konfessionelle und religiöse Grenzen überwinden. Es widerspricht dem Inklusionsgedanken, wenn an öffentlichen Schulen das gemeinsame Lernen an Konfessionsgrenzen Halt macht. Ebenso muss sichergestellt sein, dass Glaube und Religionszugehörigkeit von Lehrkräften keinen Einfluss auf deren Anstellungschancen und die Wahrnehmung von Leitungspositionen haben.
Wir wiederholen an dieser Stelle unsere Bitte, die Familie von Bülent bei den Prozesskosten von bislang knapp 2.000€ zu unterstützen. 500€ konnten bereits gesammelt werden. Jede Spende hilft, auch 5 oder 10 Euro! Näheres unter www.betterplace.org/de/projects/14662-prozesskostenunterstutzung-fur-bulents-familie
Gerade läuft übrigens die Haupverhandlung an, wir werden hier über den Fortgang berichten.