Angriff auf die Bekenntnisschule?

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Düsseldorf, 13.6.2015 (Artikel editiert am 15.6.)

Der Düsseldorfer Teil der Westdeutschen Zeitung vermeldet einen “Angriff auf die Bekenntnisschule”. Was ist passiert? Im Stadtrat der Landeshauptstadt wurde diese Woche darüber abgestimmt, ob die Bekenntnisbindung aller städtischen Konfessionsschulen auf den Prüfstand gestellt werden soll. Wenn der Schulausschuss dem Antrag zugestimmt hätte, wären die Eltern an den 34 katholischen und 4 evangelischen Grundschulen der Stadt aufgefordert worden, über die Schulart ihrer jeweiligen Grundschule abzustimmen. Die Fraktion der Linken wollte damit von einer neuen Möglichkeit des Schulgesetzes Gebrauch machen, die Kommunen in dieser Frage ein Initiativrecht gibt. Bislang konnten nur Eltern das Verfahren zur Schulartänderung einleiten. Die eigentliche Entscheidung bleibt allerdings bei den Eltern: Nur wenn mehr als 50% aller Stimmberechtigten für eine Schulartänderung stimmen, erfolgt die Umwandlung in eine Gemeinschaftsgrundschule.

Der Antrag scheiterte erwartungsgemäß. Tatsächlich war das neue Instrument wohl nicht dazu gedacht, mit einem Handstreich an 38 Schulen einer Kommune Schulartänderungsverfahren in Gang zu setzen, sondern in Einzelfällen den Kommunen als Schulträger ein neues Instrument für ihre Schulentwicklungsplanungen in die Hand zu geben. Grundsätzlich ist diese neue Möglichkeit sinnvoll, weil in den seltensten Fällen Eltern Unruhe in eine Schule bringen wollen, indem sie das Verfahren selbst in Gang bringen. Tatsache ist, dass viele Schulen nur noch dem Namen nach katholisch oder evangelisch sind, die Einschränkungen, die sich durch die Bekenntnisbindung ergeben, sind mithin nicht nachvollziehbar. Ob das neue Instrument in der Praxis allerdings oft sinnvoll und mit Erfolg genutzt werden wird, wird sich zeigen.

Quelle:

Meerbusch: Eine katholische Grundschule weniger?

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Meerbusch, 12.6.2015

Nordrhein-Westfalens Schullandschaft ist in vielerlei Hinsicht besonders. Nicht nur gibt es hier öffentliche Bekenntnisschulen. Es gibt auch Grundschulverbünde. Dieses Konstrukt eröffnet die Möglichkeit, dass kleine Grundschulen mit nur einem Zug trotzdem weitergeführt werden können, aber eben nur als Teilstandort eines Grundschulverbundes. So kann vielfach die Grundschule vor Ort erhalten werden, gleichzeitig können zwei Schulen administrativ und pädagogisch kooperieren. Die größere Schule übernimmt formal die Rolle des Hauptstandortes, der oder die dortige Schulleiter/in übernimmt auch die Leitung des Nebenstandortes. Im Sinne der Sicherung kurzer Wege für die kurzen Beine von Grundschulkindern ist das eine sinnvolle Regelung. Im Zusammenspiel mit der Besonderheit “öffentliche Bekenntnisschule” ergeben sich allerdings mancherorts merkwürdige Situationen. So dieses Frühjahr in Meerbusch/Osterath: Hier ist der Fortbestand von 2 Grundschulen auf Dauer gefährdet, weil sie nur noch einzügige Eingangsklassen haben. Die naheliegende Lösung war die Zusammenlegung zu einer größeren Grundschule in einem freiwerdenden Schulgebäude. Weil aber eine Schule eine Gemeinschaftsgrundschule ist, die andere jedoch eine katholische Grundschule, sollen beide Schulen als Verbund geführt werden, obwohl sie fortan unter einem Dach arbeiten. Folglich muss ein Hauptstandort bestimmt werden. Weil beide Schulen einzügig sind, kam es zu einem Streit. Beide Schulkonferenzen forderten, dass die eigene Schule Hauptstandort sein solle.  Die Verwaltung sprach sich aus unerfindlichen Gründen dafür aus, die Bekenntnisschule zum Hauptstandort zu machen.

Letztlich stimmte eine breite parteiübergreifende Mehrheit des Schulausschusses dafür, die Gemeinschaftsgrundschule zum Hauptstandort zu machen, die bisherige katholische Barbara-Gerretz-Schule wird zum “Bekenntniszweig”. Ausschlaggebend war wohl, dass dadurch größere Chancen bestehen, Nachfolger für den Posten der Schulleitung zu finden.

In der Schulstatistik des Landes gibt es damit ab dem Schuljahr 2016/17 eine katholische Grundschule weniger. Tatsächlich haben aber auch in Osterath weiterhin die Eltern katholisch getaufter Kinder die Möglichkeit, ihre Kinder unter den Bedingungen einer katholischen Bekenntnisschule beschulen zu lassen.

Zur Berichterstattung:

Das neue Schulgesetz in der Praxis: Lehrereinstellung und Umwandlung durch Kommunen

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9. Juni 2015

Einleitung von Schulartänderungsverfahren durch die Kommune

In Soest will die dortige Grünen-Stadtratsfraktion von der neuen Möglichkeit des Schulgesetzes Gebrauch machen, dass die Kommune ein Umwandlungsverfahren einleiten kann. Weil die katholische Patroklischule die einzige Grundschule im Soester Stadtkern ist, soll sie allen Kindern unabhängig von ihrer Religionszugehörigkeit geöffnet werden. Wenn der Stadtrat sich dem Vorschlag der Grünen anschließt, dürfen die Eltern der Patroklischule im nächsten Schritt über die Umwandlung in eine Gemeinschaftsschule abstimmen. Über 50% aller Eltern müssten sich für eine Schulartänderung aussprechen, allerdings sind 64% der Kinder katholisch. Es gibt noch eine weitere öffentliche Bekenntnisschule in Soest, die katholische Brunoschule.

Einstellung von Lehrern mit anderer Konfession

Es wurde als großer Erfolg des Schulrechtsänderungsgesetzes verkauft, dass nunmehr an staatlichen Bekenntnisschulen nur noch die Position des Rektors bzw. der Rektorin zwingend dem Bekenntnis angehören muss, alle anderen Stellen einschließlich der stellvertretenden Schulleitungsstellen stünden nun auch konfessionsfremden Lehrkräften offen. Die Bezirksregierung Köln vertrat allerdings weiterhin die Ansicht, dass auch stellv. Schulleitungsstellen weiterhin an das Bekenntnis gebunden seien. Ausgeschrieben werden solche Stellen in NRW über das Portal STELLA. Bislang werden alle Konrektorenstellen an katholischen oder evangelischen Grundschulen mit dem Hinweis auf § 26 Abs. 6 SchulG (s. Rechtsgrundlagen) ausgeschrieben, teilweise steht dort auch explizit “Schulleitungen von Bekenntnisschulen müssen dem betreffenden Bekenntnis angehören” (was eine falsche Wiedergabe der neuen Gesetzeslage darstellt). Für Lehrkräfte bleibt die Situation damit unklar. Uns wurde gesagt, dass bei wiederholten Ausschreibungen in Zukunft der Hinweis auf die Bekenntnisbindung wegfallen soll, noch ist davon im Stellenportal nichts zu erkennen.

Schon gewusst? Fakten zu öffentlichen Bekenntnisschulen

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Die erste Version dieses Artikels stammt von Oktober 2012. Wir haben farblich markiert, welche Änderungen sich durch die Neufassung des Schulgesetzes 2015 ergeben.

Wussten Sie schon,

  • dass es in Nordrhein-Westfalen und Teilen Niedersachsens öffentliche Bekenntnisschulen gibt, die zu 100% von allen Steuerzahlern bezahlt werden?
  • dass in NRW ein Drittel aller Grundschulen öffentliche Bekenntnisgrundschulen sind?
  • dass die Trennung von Kindern nach Konfession und Religion an öffentlichen Schulen in allen anderen Bundesländern Ende der 60er Jahre des letzten Jahrhunderts abgeschafft wurde, in NRW dagegen 2009 durch die Abschaffung der Schuleinzugsbezirke sogar gestärkt wurde? Aufgenommen werden zunächst alle im Schulbekenntnis getauften Kinder. Erst wenn dann noch Plätze frei sind, können auch andere Kinder aufgenommen werdenWeiterlesen

Katholische Gemeinschaftsgrundschule?

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“Als ehemalige Rektorin der Gemeinschaftsgrundschule Marsberg fühle ich mich verpflichtet, aus jahrzehntelanger Erfahrung darauf hinzuweisen, dass die Umwandlung einen Beitrag für das friedvolle Zusammenleben der Bürger bedeutet.”

Dies schriebt eine pensionierte Lehrerin an die Westdeutsche Allgemeine Zeitung in einem Leserbrief, nachdem in einem Artikel über den Wanderausflug einer “katholischen Gemeinschaftsschule” berichtet wurde. Weiterlesen

Bekenntnisschulreform in NRW: Besser ist nicht gut

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Bonn, 18.3.2015 (ergänzt am 20.3.2015)

Ein Artikel zur heutigen Gesetzesänderung zu Bekenntnisschulen in der Westdeutschen Zeitung bringt es auf den Punkt:

Ein unbefangener Beobachter hätte schließen können, dass beim verhandelten Thema Bekenntnisschule alles Bisherige auf den Kopf gestellt wurde. Indes: Mit der rot-grünen Mehrheit wurden lediglich Stellschrauben verändert.
wz-newsline.de, Peter Kurz, 18.3.2015, Gesetz verabschiedet: Die Bekenntnisschule bleibt, aber . . .

Dennoch: Dass nunmehr Bekenntnisschulen mit 50% + 1 Stimme umgewandelt werden können und dass Lehrkräfte auch mit dem falschen Bekenntnis oder gar ohne Taufschein an Bekenntnisschulen angestellt werden können, ist eindeutig eine Verbesserung. Auch in anderen Punkten deutet sich ein Paradigmenwechsel an: Es wird nicht mehr festgehalten am Scheinbild der homogenen Bekenntnisschule, die es schon lange nicht mehr gibt. Zukünftig soll praktiziert werden, was schon immer im Gesetz stand, dass nämlich Religionsunterricht auch in anderen Religionen oder Bekenntnissen erteilt werden kann, wenn mindestens 12 Kinder dem entsprechenden Glauben angehören. Und es soll nicht mehr erlaubt sein, was schon immer absurd war, aber leider bislang gang und gäbe, dass nämlich Kinder gegen ihren eigenen oder den Willen ihrer Eltern an Schulgottesdiensten teilnehmen mussten. Ferdinand Claasen vom katholischen Büro NRW hat das im Landtag gut ausgedrückt:

“Es gibt keine Schule, in der die Seelen von Kindern mit Füßen getreten werden dürfen. Insofern gibt es selbstverständlich an keiner Schule im Lande Nordrhein-Westfalen einen Zwang zum Schulgottesdienst.”

Gerne zitieren wir hier noch einmal zusammenfassend den Verfassungsrechtler Pieroth, der in der Expertenanhörung am 4. Februar 2015 sagte:

“Wenn man bedenkt, dass selbst Bayern vor Jahrzehnten die öffentliche Bekenntnisschule abgeschafft hat, ist das hier ein sehr moderater Gesetzentwurf.”  

Dem ist nichts hinzuzufügen.

Berichterstattung und Stellungnahmen zum neuen Schulgesetz

Dokumente

Sonstiges

 

Nachbetrachtungen zur Expertenanhörung zum Bekenntnisschulgesetz

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Der von rot-grün im Landtag eingebrachte Gesetzentwurf zu öffentlichen Bekenntnisschulen erhielt bei der Expertenanhörung am 4. Februar 2015 breite Unterstützung. Das Gesetz wird daher aller Voraussicht nach mit geringfügigen Korrekturen im Frühjahr 2015 in Kraft treten. Weiterlesen

Schulrechtsänderung Bekenntnisschulen – Anhörung von Sachverständigen

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Bitte beachten Sie: Dieser Artikel wird laufend aktualisiert (letzte Änderung: 2.2.2015)

Landtag NRW diskutiert über die Zukunft staatlicher Bekenntnisschulen

Am 4. Februar 2015 findet im Düsseldorfer Landtag von 13:30 bis 17:00 eine öffentliche Anhörung zum 11. Schulrechtsänderungsgesetz statt. Die Reform des Schulgesetzes soll die Umwandlung öffentlicher Bekenntnisschulen erleichtern und die Einstellung von Lehrkräften ermöglichen, die nicht dem Schulbekenntnis angehören. Die Initiative “Kurze Beine – kurze Wege” wurde von drei Fraktionen nominiert, um an der Anhörung im Rahmen des Gesetzgebungsprozesses als Sachverständige teilzunehmen. Weiterlesen