Reaktionen auf den Fall Zeynep in Mönchengladbach

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In Mönchengladbach soll ein Mädchen von der Öffentlichen Evangelischen Grundschule verwiesen werden, weil die Eltern es vom Religionsunterricht abgemeldet haben (wir berichteten, siehe auch den Artikel Schulverweis oder Religionsunterricht, aus Die Zeit Online, 20.7.2011, allein im dortigen Forum gab es 685 Kommentare). Der Fall schlägt Wellen, es gibt zahlreiche Reaktionen, in NRW und weit darüber hinaus.

Zeitungsartikel in Mönchengladbach und Region

  • Der Westen, 23.7.2011, Muslimisches Mädchen wird von evangelischer Grundschule geworfen
    „Mittlerweile hätten sich bereits 15 andere muslimische Familien gemeldet, so der Vorsitzende des Vereins, die ihre Kinder auch vom Religionsunterricht befreien lassen wollten.“
    Bemerkung am Rande: Der Moderator der Kommentarfunktion hatte gut zu tun. 30 von 53 Kommentaren zum Artikel wurden blockiert. Einige der verbliebenen Kommentare lassen die Vermutung zu, dass die Grenzen noch nicht einmal eng gesteckt waren. 
  • RP Online vom 27.07.2011, „Schule: Abmeldeflut in Religion?
    „Seit ein paar Jahren stellen Ulus und seine Mitstreiter im Verein Veränderungen fest: Seit die Schulen ein Schulprofil erstellen müssen, legen viele Bekenntnisschulen wieder gesteigerten Wert auf ihre christliche Ausrichtung. […] In Mönchengladbach sind fast die Hälfte aller Grundschulen Bekenntnisschulen. Würden alle Kinder mit Migrationshintergrund an Gemeinschaftsgrundschulen angemeldet, dann gäbe es dort einen Migrantenanteil von 60 bis 70 Prozent“, sagt Ulus.“
  • RP Online vom 27.07.2011, „Fach Religion: Türken werben für Abmeldung
    „Eine Abmeldung vom Religionsunterricht von Bekenntnisschulen ist rechtlich möglich, sagt eine Sprecherin des Schulministeriums. In diesem Fall müsse die Schule ihre Aufsichtspflicht wahren und für eine Betreuung sorgen.“
  • RP Online vom 28.07.2011, „Religionsunterricht ist nicht gefährlich“
    Toleranz ist für Regionaldekan Clancett wichtig, „aber wenn ich mein Kind an einer konfessionellen Schule anmelde, dann sehe ich auch das Schild an der Tür und erkenne die Ausrichtung“. Das gelte nicht nur für Bekenntnisschulen. „Ich würde mein Kind auch nicht an einem Sportgymnasium anmelden, wenn es völlig unsportlich ist.“
  • RP Online, 29.07.2011, Muslime können von „Reli“ befreit werden
    „Ministeriums-Sprecherin Barbara Löcherbach bekräftigte auf RP-Nachfrage, dass die laut Landesverfassung (Art. 14) und Schulgesetz (§ 31 Abs. 6) mögliche Befreiung vom Religionsunterricht auch für konfessionelle Grundschulen gelte.“

Evangelische Kirche

Endlich äußert sich auch die Evangelische Kirche, die bisher zu dem Themenkomplex schwieg (RP online, 11.8.2011, „Bekenntnisschulen haben klares Profil„). Oberkirchenrat Klaus Eberl erklärt:

„Wer auf der einen Seite eine konfessionelle Schule wählt und diese konfessionelle Erziehung auf der anderen Seite ablehnt, verhält sich nicht konsequent.“ Als Alternative hätten die Eltern eine der 22 Gemeinschaftsgrundschulen in der Stadt wählen können.

Uns würde interessieren, wieviele evangelische Pfarrer so konsequent sind, ihren Kindern lieber 3 km Schulweg zuzumuten, als sie bei der katholischen Bekenntnisschule um die Ecke anzumelden.

Humanistisch-atheistische Reaktionen

Reaktionen aus der Landespolitik und dem Schulministerium

Schulministerin Sylvia Löhrmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) stellte sich hinter die Entscheidung der Schulaufsicht (s. ead.de: Deutschland: Muslima von evangelischer Schule verwiesen). Am 6.12.2011 nahm sie auf abgeordnetenwatch selbst Stellung und bekräftigte, dass in diesem Fall eine Befreiung vom Religionsunterricht nicht erfolgen durfte und der Schulverweis rechtens ist: http://www.abgeordnetenwatch.de/sylvia_loehrmann-231-40135–f299936.html#q299936.

Eine Ministeriums-Sprecherin dagegen wird am 29.7.2011 in RP Online (Hilden: Muslime können von Reli befreit werden) wie folgt zitiert:

„Ministeriums-Sprecherin Barbara Löcherbach bekräftigte auf RP-Nachfrage, dass die laut Landesverfassung (Art. 14) und Schulgesetz (§ 31 Abs. 6) mögliche Befreiung vom Religionsunterricht auch für konfessionelle Grundschulen gelte.“

Die Fraktion der LINKEN im Landtag von NRW nimmt den Fall zum Anlass, eine „Kleine Anfrage an die Landesregierung“ zu stellen:

„Mit unserer Anfrage wollen wir auch erfahren, ob so etwas in Nordrhein-Westfalen schon öfter vorgekommen ist, ohne dass die breite Öffentlichkeit davon erfahren hat. Wenn diese Diskriminierung kein Einzelfall ist, ist die Landesregierung dringend zum Handeln aufgefordert. Auch sind wir sehr gespannt auf die Rolle des Schulministeriums in diesem Fall.“ (s. http://www.linksfraktion-nrw.de/nc/presse/aktuell/detail/artikel/linke-fragt-warum-musste-zeynep-die-schule-verlassen/)

Am 20.9.2011 erklärt die Landesregierung in ihrer offiziellen Antwort, dass die Schulleitung ihrer Ansicht nach in diesem Fall befugt ist, „ihre Aufnahmeentscheidung zurückzunehmen“.

Türkisch-deutsche Community

Zeyneps Schulverweis ist ein Skandal (SABAH AVRUPA – Die Türkische Tageszeitung)

Ausländische Medien

Das niederländische „Reformatorisch Dagblad“ veröffentlichte am 4.8.2011 einen Artikel mit dem Titel Duitse protestantse school stuurt moslimmeisje weg, der auf einer Meldung der deutschen evangelikalen Nachrichtenagentur idea (s. unten, weitere Informationen) beruht.

Blogs und Online-Foren

Stellvertretend für das rechte Spektrum sei hier die Reaktion eines Nutzers genannt, der schreibt (auf eine Verlinkung verzichten wir aus naheliegenden Gründen):

„Wenn die Eltern mit ihrer Klage durchkommen, werden in kürzester Zeit alle christlichen Konfessionsschulen moslemisch unterwandert und unbrauchbar sein.“

Bemüht diplomatischer ist der Blogeintrag mit dem Titel „Was sich Muslime in Deutschland einbilden…„. Der Autor Thomas Schneider, auf dessen Webseiten auch für die rechtsnationale Publikation „Junge Freiheit“ geworben wird, täuscht sich allerdings, wenn er davon ausgeht, es handle sich um eine Schule in kirchlicher Trägerschaft. Schneider war bis vor kurzem Leiter der idea-Geschäftsstelle Ost (idea ist eine evangelikale Nachrichtenagentur, die sich in der Vergangenheit mit dem Vorwurf rechtsextremer Tendenzen auseinandersetzen musste).

Auf dem Blog Sägefisch: Pädagogische Islamkritik findet sich eine Petition der Sozialpädagogen Edward von Roy und Gabi Schmidt an den Landtag NRW. Sie schreiben:

„Eine gewünschte Nichtteilnahme am Religionsunterricht begründet auch an einer konfessionellen Schule keinen Schulverweis. […] Falls die Evangelische Grundschule Pahlkestraße einen christlich zu nennenden zwischenmenschlichen Umgang kultiviert, wird dieser sich in der Begegnung der Lehrerkollegen untereinander und vor allem im Umgang des Lehrers mit dem Schüler und dessen Eltern ohnehin zeigen, eines religionskundlichen oder gar bekennenden Religionsunterrichts mit Teilnahmepflicht für nichtchristlich sozialisierte Kinder bedarf es zum realisierten christlichen Schulprofil nicht.“

Kontrovers diskutiert wird das Thema auch im juristischen „Forum Deutsches Recht“: http://www.recht.de/phpbb/viewtopic.php?t=218544

Hoberge: Umwandlung in EGS als Mittel zum Zweck des Erhalts einer Schule

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Sieh einer an. Manchmal wird auch umgekehrt umgewandelt, weil Bekenntnisschulen kleiner sein dürfen als Gemeinschaftsgrundschulen und der Status einer Bekenntnisschule hilft, eine Schule vor Ort zu erhalten. Auch hier scheint der Religionsgedanke im wesentlichen Mittel zum Zweck zu sein. Wir kritisieren nicht, dass Eltern und Schulen alles versuchen, um ihre Schule vor Ort zu erhalten, andernfalls wäre der Name der Initiative falsch gewählt.  Aber wir fordern gleiche Rechte für alle Lehrkräfte und Schüler/innen im öffentlichen Schulsystem. Ganz offensichtlich sind in NRW konfessionelle Schulen in vieler Hinsicht privilegiert. Die Landesverfassung sieht zwar Bekenntnisschulen vor, und es ist nicht an uns, an diesem Status zu rütteln. Aber wir können nicht akzeptieren, dass der vom Grundgesetz garantierte Schutz der Religionsfreiheit von der Verwaltung in NRW einseitig so ausgelegt wird, dass selektiv Religionsgemeinschaften faktisch auf Kosten aller Steuerzahler privilegiert werden. Es geht der Initiative nicht darum, religiöse Überzeugungen in Frage zu stellen – aber das Bekenntnisprivileg darf in einem öffentlichen Schulsystem im 21. Jahrhundert nicht mehr so interpretiert werden. Sagt übrigens auch die Landesverfassung in Art. 8 Abs. 1: „[…] Die staatliche Gemeinschaft hat Sorge zu tragen, daß das Schulwesen den kulturellen und sozialen Bedürfnissen des Landes entspricht.“

Zum Thema:

„Die Grundschule Hoberge wird eine evangelische Bekenntnisschule. Die Eltern haben mit großer Mehrheit für die Umwandlung der Schule gestimmt. 89 sprachen sich dafür und nur vier dagegen aus. Damit ist die letzte Hürde genommen. Der Rest ist nur noch eine Formalie. Damit kann die Grundschule nicht mehr von der Stadt geschlossen werden.“
Radio Bielefeld, 14.7.2011, Eltern für Bekenntnisschule Hoberge

Zum Hintergrund aus einem früheren Artikel:

„Für Bekenntnisschulen gelten nicht die Richtgrößen für Grundschulen, wonach im Idealfall 196 Kinder in acht Jahrgangsklassen unterrichtet werden sollen. Die Grundschule Hoberge könnte als kleinere Einheit weitergeführt werden, wäre auch bei der Debatte über Schulschließungen in Bielefeld »außen vor«.“
Westfalen-Blatt, 4.2.2011, Hoberge: Umwandlung in Bekenntnisschule


zum Thema Schulschließungen in Bielefeld (Stadtelternrat, 9.5.2011): Bis zu vier Grundschulen sollen schließen


UPDATE DEZEMBER 2011

Umwandlung schützt vor Schließung nicht – zumindest berichtet das die nw-news.de am 9.12.2011 im Artikel „Kleine Klassen, große Klassen„:

Krisengebiet bleibt Dornberg: Die Grundschule Hoberge-Uerentrup, gerade erst zur evangelischen Bekenntnisschule gewandelt, hat 16 angemeldete Kinder, darunter ein vorgezogenes im Alter von vier Jahren und ein Kind mit Schwerstmehrfachbehinderungen. Gilt bei anderen Grundschulen die Zahl 18 als Untergrenze für eine Eingangsklasse, ist es an Bekenntnisschulen die 15 – Hoberge liegt also mit einem Kind drüber. Bisher galt vor Ort immer das Argument, dass die Grundschule ja mit Klassengrößen um die 25 vollkommen im guten Mittel liege, das scheint nun gefährdet.

Kaarst: Schulbus nur noch für katholische Kinder

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Sachen gibt’s. Da muss eine Kommune Geld sparen, entdeckt dabei die Schulbusse und plötzlich fahren diese nur noch für katholische Kinder? Die Zusammenhänge sind sicherlich komplexer, aber dieser Artikel aus der Neuss-Grevenbroicher Zeitung gibt einen deutlichen Hinweis darauf, dass die Dreiteilung in Gemeinschaftsgrundschulen, katholische und evangelische Bekenntnisschulen und Weltanschauungsschulen die Steuerzahler in Nordrhein-Westfalen richtig viel Geld kostet.

„Um Geld zu sparen, hat der Rat im Dezember vergangenen Jahres entschieden, dass der Schulbusspezialverkehr neu ausgeschrieben wird und künftig nur noch Kindern mit Anspruch auf Fahrtkostenübernahme zugutekommt. Das bedeutet, sie wohnen mindestens zwei Kilometer von der nächstgelegenen Schule entfernt oder sie besuchen aufgrund ihres religiösen Bekenntnisses die katholische Grundschule. Im diesem Fall ergibt sich der Anspruch, weil es in Kaarst nur eine katholische Bekenntnisschule gibt.

Allein für rund 70 Kinder aus Driesch, Vorst und Holzbüttgen, die derzeit die Gemeinschaftsgrundschule an der Römerstraße besuchen, heißt das: kein Schulbus mehr, obwohl der für Schüler der katholischen Grundschule nach wie vor fährt. Das finden die betroffenen Eltern der GGS Büttgen ungerecht.“

NGZ Online, 14.7.2011, Kaarst: Eltern wollen privaten Schulbus

„300m vs. 3 km“ oder „Über Bekenntnishomogenität und Zwangskirchenbesuch in Mönchengladbach“

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In einem Schreiben von März 2010 erklärte uns ein Referent aus dem Schulministerium, dass sich aus der Landesverfassung „als prägender Gesichtspunkt in formeller Hinsicht [ergibt], dass eine Bekenntnisschule nach der Zusammensetzung des Lehrkörpers und der Schülerschaft grundsätzlich bekenntnishomogen ist.“ Das ist tatsächlich ein rein formales Kriterium – die allermeisten Schulen in NRW sind nämlich alles andere als bekenntnishomogen, wie ein Blick in die Schulstatistik zeigt: Danach gehören dem Schulbekenntnis an den katholischen Grundschulen des Landes durchschnittlich 59% der Kinder an, an Evangelischen Grundschulen gar nur 46% (s. Zahlen und Statistisches). Im gleichen Schreiben berichtete der Referent über die Anmeldesituation an den 20 Bonner KGS im Herbst 2009, wonach „keine Schule bekenntnishomogen zusammengesetzt [war]. An 14 der 18 katholischen Grundschulen überwog die Zahl der Anmeldungen von bekenntnisfremden oder bekenntnislosen Kindern.

Das Schulgesetz (§26 VII) regelt hierzu:

An einer Bekenntnisschule mit mehr als zwölf Schülerinnen und Schülern einer konfessionellen Minderheit ist eine Lehrerin oder ein Lehrer des Bekenntnisses der Minderheit einzustellen, die oder der Religionsunterricht erteilt und in anderen Fächern unterrichtet. Weitere Lehrerinnen und Lehrer des Bekenntnisses der Minderheit sind unter Berücksichtigung der Zahl der Schülerinnen und Schüler der Minderheit und der Gesamtschülerzahl der Schule einzustellen.

Wir gehen davon aus, dass die Regelung aus einer Zeit stammt, als noch fast alle Kinder christlich getauft waren und Familien für konfessionelle Erziehung im eigenen Bekenntnis gerne weitere Wege in Kauf genommen haben (siehe dazu Kirche und Politik in den 50er Jahren). Die Zeiten haben sich geändert – man wird nur noch wenige Schulen in NRW finden, wo nicht laut obigem Gesetz Religionsunterricht im abweichenden Bekenntnis erteilt werden müsste, oder auch islamkundlicher Unterricht bzw. Ethikunterricht für nichtreligiöse Kinder, sofern man den zugrundeliegenden Gedanken der gesetzlichen Regelung im Licht der heutigen Situation interpretiert. Allerdings kommt die Regelung nicht zum Tragen, statt dessen wird verlangt, dass Eltern eine Bekenntniserklärung unterschreiben, mit der sie sich dem Schulbekenntnis unterordnen. Tatsache ist: Die allermeisten Eltern wollen ihr i-Dötzchen heute unabhängig von Konfession und Religion auf die nächstgelegene öffentliche Schule schicken.

So auch in Mönchengladbach. Dort sind rund die Hälfte aller Grundschulen Bekenntnisschulen, fast alle katholisch. Für Kinder aus bekenntnislosen oder muslimischen Familien ist die Auswahl damit erheblich eingeschränkt, wenn sie sich nicht auf die Unterrichtung und Erziehung im Sinne eines christlichen Bekenntnisses einlassen wollen. Dennoch ist für die meisten Familien die Nähe zum Wohnort das entscheidende Kriterium. So entschied sich auch eine türkischstämmige Familie, ihr Kind an der wohnortnächsten Evangelischen Grundschule anzumelden. Die Familie war jedoch nicht einverstanden damit, dass das Kind verpflichtend an Religionsunterricht und Gottesdienst teilnehmen musste, und meldete ihre Tochter hiervon ab. Die Schule schrieb zurück, dass sie den Aufnahmebescheid infolgedessen aufhebe und das Kind sich eine andere Schule suchen solle. Für die Familie war dies nicht akzeptabel, sie wandte sich an einen Rechtsanwalt und klagte gegen die Entscheidung der Schule. Eine gerichtliche Klärung steht noch aus (Nachtrag: In der Zwischenzeit wurde das Verfahren ohne Entscheid in der Sache eingestellt).

Übrigens stellen muslimische Kinder an dieser Grundschule die größte Gruppe dar: Von den 287 Schüler/innen sind 26% muslimisch – und nur knapp 18% gehören als evangelisch getaufte Kinder dem Schulbekenntnis an. Nicht viel anders ist die Situation an zahlreichen weiteren Konfessionsschulen.

Das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen interpretiert in einem Beschluss vom 9. Mai 2008 (4 L 1143/07) das Schulgesetz so, dass eine Schule ihren Bekenntnischarakter verliert, wenn mehr als ein Drittel der Schüler/innen nicht dem Bekenntnis angehören. Das ist in Mönchengladbach im Schuljahr 2010/11 an 13 von 20 Bekenntnisgrundschulen der Fall. Lediglich an 4 Bekenntnisschulen liegt der Anteil bekenntnisfremder Schüler unter 30%, an keiner einzigen unter 20% (siehe Konfessionelle Verteilung an Mönchengladbacher Bekenntnisschulen). Allerdings ergeben sich daraus keine unmittelbaren Konsequenzen, es gibt keinen Automatismus der Umwandlung.

s. auch Die Zeit Online, 20.7.2011, „Schulverweis oder Religionsunterricht

SPD und Grüne in Bonn fordern „zeitgemäße Regelung“ für Umwandlung von Bekenntnisschulen

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Am 29.6.2011 befasste sich der Bonner Schulausschuss mit der gescheiterten Umwandlung der KGS Buschdorf in eine Gemeinschaftsschule.

In ihrem „Fach-Newsletter Schule, Jugend & Familie“ Nr. 2/2011 nimmt die Bonner SPD-Ratsfraktion Stellung zum gescheiterten Umwandlungsversuch an der KGS in Bonn-Buschdorf:

Bereits zum zweiten Mal in Folge haben Eltern der KGS Buschdorf eine Umwandlung ihrer konfessionellen in eine Gemeinschaftsschule beantragt. Wie beim ersten Mal entschieden sich zwar zwei Drittel der abgegebenen Stimmen für diese Umwandlung, das notwendige Quorum wurde jedoch erneut nicht erreicht. Zwei Drittel aller Eltern an der Schule müssen einer Umwandlung zustimmen, nicht nur die abgegebenen Stimmen zählen. Anders als bei anderen demokratischen Abstimmungen zählt Nichtbeteiligung demzufolge als Neinstimme. Wenn dies zum Beispiel auf die Wahlen zu Bundes-, Landes- und Kommunalparlamenten übertragen würde, käme es angesichts der immer geringer werdenden Wahlbeteiligung vielleicht gar nicht mehr zur Bildung neuer Regierungen. Angesichts dieser Entwicklung wurde die Verwaltung gebeten, sich bei der Landesregierung dafür einzusetzen, im kommenden Schulgesetz eine zeitgemäße Regelung zu verankern.

s. Homepage der Bonner SPD-Ratsfraktion

Die Grünen schreiben in ihrem Newsletter:

Die Grünen merkten an, dass durch dieses Verfahren die Hürden für eine Umwandlung sehr hoch gehangen würden. Bedenklich sei, dass nicht die Mehrheit der Wählerstimmen zählt, sondern es einer zwei-drittel Mehrheit aller Eltern bedürfe. Deshalb wurde die Verwaltung aufgefordert, in Richtung Land aktiv zu werden, die Problematik darzustellen und auf eine Änderung dieser Bestimmung hinzuwirken.

Eher unwahrscheinlich ist allerdings, dass die Bonner Schulverwaltung die Landesregierung dazu bewegen kann, das Schulgesetz in diesem Sinne zu ändern, zumal hierzu kein förmlicher Beschluss des Rates zustande kam. Auch erwähnenswert in diesem Zusammenhang: Bis heute ist uns keine Antwort auf die Resolution des Stadtrats Bonn vom September 2009 bekannt.


Weitere Infos zu den Umwandlungsversuchen in Buschdorf:
Grundschule Buschdorf: Elternwille scheitert an gesetzlicher Regelung

Zweiter Offener Brief an die Landesregierung in NRW

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Die Widersprüche rund um das Thema Öffentliche Bekenntnisschulen werden durch unseren Briefverkehr mit dem Schulministerium nicht weniger. Im Gegenteil, mit jedem Antwortschreiben aus dem Schulministerium wächst unser Unverständnis über die geltenden Regelungen und über die mangelnde Bereitschaft der Politik, sich mit den Problemen auseinanderzusetzen: Die verantwortlichen Politiker/innen beziehen nicht Stellung. Alle Schreiben wurden bislang ausschließlich von Referenten auf der Arbeitsebene der Verwaltung beantwortet – die uns auf die „staatskirchenrechtliche Ausgangslage“ hinweisen, wonach die Exekutive keinen Spielraum habe. Wir glauben nach wie vor, dass die Schulministerin als Teilnehmerin der Gespräche über den Schulfrieden in NRW eine geeignete Ansprechpartnerin ist.

Dennoch sind die Antworten interessant: Tatsächlich tun sich zahlreiche Widersprüche auf, die darauf hindeuten, dass die gesetzliche Regelung alles andere als eindeutig ist, und dass die Verwaltung effektiv durch Erlasse und Verordnungen Recht setzt – was ihr nicht zusteht.

In unserem 2. offenen Brief fordern wir die Landesregierung daher erneut auf, dafür zu sorgen, dass alle Kinder bei der Aufnahme an öffentlichen Grundschulen gleich behandelt werden. Wir argumentieren, dass die frühere konfessionelle Homogenität an den meisten Schulen nicht mehr gegeben ist und damit auch die Voraussetzung für eine Sonderbehandlung entfallen ist. Entsprechend fordern wir, dass die Umwandlung von Schulen erleichtert wird, um den Grundschuleltern eine reale Chance zu geben, die Schulart ihrer Kinder zu bestimmen.

Zweiter Offener Brief an die Landesregierung vom 30.6.2011


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Antwort auf unseren offenen Brief vom 25. Februar 2011

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In einem Offenen Brief vom 25.2.2011 forderte die Initiative die Landesregierung auf, diskriminierenden Praktiken an öffentlichen Bekenntnisgrundschulen in NRW ein Ende zu bereiten. Unser Schreiben richtete sich an Ministerpräsidentin Kraft, Schulministerin Löhrmann und den für Integration zuständigen Minister Schneider. Ende April erhielten wir endlich Antwort – von einem Referenten auf der Arbeitsebene des Düsseldorfer Schulministeriums.

Die Punkte im Einzelnen:

1. Wohnortnähe und Geschwisterkind-Eigenschaft müssen auch an Bekenntnisgrundschulen in Nordrhein-Westfalen oberste Aufnahmekriterien sein. Deshalb darf an staatlichen Schulen, auch an Bekenntnisschulen, die Konfession für die Aufnahmeentscheidung keine Rolle spielen.

Die Antwort lautet, dass sich die Regelung aus der Landesverfassung und dem Schulgesetz ergebe. Interessant ist allerdings in der Antwort, dass die Bekenntniserklärung nicht schriftlich sein muss und eine „Gewissensprüfung“ nicht vorgenommen werden darf. Das widerspricht eklatant der Interpretation der katholischen Kirche in ihrer Broschüre Die katholische Bekenntnisschule in Nordrhein-Westfalen, wonach die Schulleitung die Ernsthaftigkeit der Erklärung zu prüfen habe und im Zweifel eine Ablehnung aussprechen könne. Die klare Anwort des Schulministeriums hierauf lautet: „Eine solche Nachforschung durch die Schule würde eine nicht zulässige Grundrechtsverletzung darstellen.“

2. Wir forderten: Die rechtlichen Vorgaben für die Erteilung von Religionsunterricht müssen auch an Bekenntnisgrundschulen eingehalten werden. Das Schulgesetz hält fest, dass ab 12 Kindern eines Bekenntnisses entsprechender Religionsunterricht zu erteilen ist.

Hier handelt es sich um eine klassische Catch-22 Situation: Das Ministerium erklärt uns, dass der Minderheitenschutz nicht greift, weil man ja bei der Aufnahme ausdrücklich erklärt hat, dass man eine Erziehung im Bekenntnis wünscht. Anderes gelte nur, wenn kein anderes Schulangebot in zumutbarer Entfernung erreichbar wäre.

3. Die fachliche Eignung und nicht die Konfessionszugehörigkeit muss das entscheidende Kriterium für die Besetzung von Schulleiterstellen sein.

Zunächst wird geleugnet, dass es ein spezielles Problem an Bekenntnisschulen gebe. Außerdem wird erläutert, dass „die Bekenntnishomogenität bei Schulleitungen an Bekenntnisgrundschulen weiterhin ein Tatbestandsmerkmal ist“. Nach einem Bundesverwaltungsgerichtsurteil von 1964 werden „Kinder des katholischen oder des evangelischen Glaubens im Geiste ihres Bekenntnisses von Lehrern des gleichen Bekenntnisses erzogen und unterrichtet“, da nur diese „die persönlichen und sachlichen Voraussetzungen“ dafür mitbrächten. Das gelte „in höherem Maße für den Leiter einer Bekenntnisschule“.
Schön und gut, Tatsache ist, dass Bekenntnishomogenität heute an den allerwenigsten Bekenntnisschulen gegeben ist (s. hierzu auch Zahlen und Statistisches). Es lohnt sich ein Blick in die Landesverfassung. Artikel 8 besagt:

(1) Jedes Kind hat Anspruch auf Erziehung und Bildung. Das natürliche Recht der Eltern, die Erziehung und Bildung ihrer Kinder zu bestimmen, bildet die Grundlage des Erziehungs- und Schulwesens.
Die staatliche Gemeinschaft hat Sorge zu tragen, daß das Schulwesen den kulturellen und sozialen Bedürfnissen des Landes entspricht.

Die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen haben sich verändert, es besteht ein offensichtlicher Anpassungsbedarf. Daher forderten wir:

4. Die Umwandlung von Bekenntnisschulen in Gemeinschaftsschulen muss erleichtert werden, um dem Elternwillen zum Recht zu verhelfen.

Die Antwort des Ministeriumsmitarbeiters ist einfach: Das Umwandlungsverfahren ist im Schulgesetz verankert, mithin könne nur der Landtag eine Änderung über die Gesetzgebung herbeiführen. Das ist sicherlich richtig, übersieht aber, dass unser Schreiben politisch gemeint war, nicht als Anfrage an die Verwaltung: Wir hatten eine Antwort der politischen Leitung des Ministeriums erwartet.

Antwort aus dem Schulministerium von 18.5.2011

Das Leitungsproblem gibt es auch an evangelischen Grundschulen

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In Nordrhein-Westfalen sind zahlreiche Funktionsstellen (Schulleitung und Stellvertretung) an öffentlichen Grundschulen unbesetzt. Die Mehrarbeit und zusätzliche Verantwortung wird offenbar nicht adäquat entgolten. Verschärft wird die Situation noch dadurch, dass an Bekenntnisschulen nur Lehrer/innen mit dem richtigen Bekenntnis eingestellt werden können. Das gilt nicht nur für die relativ zahlreichen katholischen Grundschulen, sondern auch für evangelische Grundschulen.

Oelde (re) – Die Albert-Schweitzer-Grundschule in Oelde findet keinen Bewerber für die seit fast zwei Jahren vakante Schulleiterstelle. Hinter dieser einfachen Feststellung verbirgt sich ein Dilemma, das die Bezirksregierung Münster jetzt benannt hat.
[…] Die Oelder Albert-Schweitzer-Schule ist eine evangelische Bekenntnisgrundschule – offensichtlich keine gute Voraussetzung im katholisch geprägten südlichen Münsterland, um einen Schulleiter zu finden.

Dazu schreibt die Bezirksregierung Münster auf „Glocke“-Anfrage: „Neben den grundsätzlich bekannten Gründen für eine meist geringe Bewerberzahl auf Grundschulleitungsstellen stellt wohl vor allem die konfessionelle Ausrichtung einen Grund für die Situation dar. Auch der Schulträger konnte diese Einschätzung bestätigen.“

Die Glocke online, 14.6.2011, Schulleiter gesucht: aber bitte evangelisch

Lesen Sie hierzu auch weitere Artikel aus der Kategorie Lehrkräfte an Bekenntnisschulen.

Konsens über Umwandlung der KGS Marien-Schule Saalhausen in eine GGS

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Wir berichteten bereits über die Marien-Schule in Saalhausen, wo es eine unbesetzte Schulleitungsstelle und eine qualifizierte Bewerberin mit dem falschen Taufschein gibt. Die Bezirksregierung Arnsberg berichtet von einer erstaunlichen Einigung:

Im Ringen um die Besetzung der Schulleiterstelle an der Marien-Schule Saalhausen haben die Vertreter der Elternschaft, der Lehrkräfte, der Stadt Lennestadt, des Kreises Olpe, des Erzbischöflichen Generalvikariats Paderborn und der Bezirksregierung Arnsberg am gestrigen Dienstagnachmittag, 7. Juni, bei einem Treffen in Dortmund einen Konsens erzielt.

Die Elternvertreter werden kurzfristig eine Elternversammlung einberufen, mit dem Ziel, ein Verfahren zur Umwandlung der katholischen Bekenntnisschule in eine Gemeinschaftsgrundschule einzuleiten. Dies ist die einzige Möglichkeit, die vakante Schulleitungsstelle in Saalhausen mit einem nichtkatholischen Bewerber zu besetzen. Falls sich dafür unter den Eltern die erforderliche Zahl an Unterstützern findet, soll das formale Abstimmungsverfahren durchgeführt werden.

Sollte sich die vorgeschriebene Mehrheit der Elternschaft für eine Umwandlung aussprechen, kann für die Übergangszeit bis zum Eintritt der Wirksamkeit dieses Beschlusses (frühestens am 1. Februar 2012) die Stelle der Schulleitung ausnahmsweise auch mit einem evangelischen Bewerber besetzt werden.

Es wurde festgehalten, dass ein solches Umwandlungsverfahren kein Votum gegen die Zusammenarbeit mit der katholischen Kirche darstelle.

siehe Webseite der Bezirksregierung Arnsberg, Meldung vom 8.6.2011


UPDATE 23.09.2011 – Umwandlung erfolgreich (s. Bekanntmachung der Stadt Lennestadt)

siehe auch Artikel Bekenntnisschule ohne Leitung, weil das Bekenntnis der Wunschkandidatin nicht stimmt 

NRW-Landesregierung verhandelt mit Kirchen über Bekenntnisschulen

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Dresden, 3. Juni 2011. NRW-Bildungsministerin Sylvia Löhrmann ist Teilnehmerin einer Podiumsdiskussion zum Thema „No child left behind – Brandherd Bildung“ auf dem Evangelischen Kirchentag. Sie berichtet, dass sie sich für längeres gemeinsames Lernen einsetzt und dass ihr Chancengleichheit wichtig ist. Mit ihrer warmherzigen und engagierten Art kommt sie gut an beim Publikum aus Gläubigen, Pädagogen und Lehrer/innen.

Die anschließende Fragerunde wird eröffnet von einer Grundschullehrerin aus NRW. Sie stellt kurz die Besonderheit des nordrhein-westfälischen Grundschulsystems mit seinen öffentlichen Bekenntnisschulen dar und beklagt die Diskriminierung von Kindern und Lehrern: Im Neuen Testament stehe doch „Lasset die Kindlein zu mir kommen“, von vorheriger Selektion sei da nicht die Rede. Der Beitrag wird in der voll besetzten Kirche von lautem Beifall quittiert. Frau Löhrmann antwortet knapp: man sehe das Problem und befinde sich in Verhandlungen mit den Kirchen.