Haben katholische Kinder kürzere Beine? Oder warum sonst dürfen Bekenntnisschulen einzügig sein, Gemeinschaftsgrundschulen aber nicht?

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In die Rubrik „muss man nicht verstehen, aber irgendwie wieder mal ein Beleg dafür, dass das mit den verschiedenen Schularten in NRW die Welt nicht einfacher macht“ kann man folgende Meldung aus Balve in NRW einsortieren:

Balve. Landesschulministerin Sylvia Löhrmann fordert, dass Grundschulen mindestens zwei Klassen pro Jahrgangsstufe haben müssen. Der entsprechende Erlass gefährdet damit auch die Eigenständigkeit der Grundschulen L.A. und Beckum.

„Mindestens zweizügig“ und „durchschnittlich 24 Schülerinnen und Schüler je Klasse“ lauten die Vorgaben für die Grundschulen in NRW in dem Schriftstück. Gebe es weniger als zwei Klassen, könne der Schulträger alternativ einen Schulverbund mit mehreren Teilstandorten einrichten, empfiehlt die Schulministerin.

Der Erlass ist auf den 30. März datiert und liegt unserer Zeitung vor – im Balver Rathaus hingegen war er gestern noch nicht bekannt. Fachbereichsleiter Michael Bathe kündigte an, „nachzuhaken“. Grundsätzlich sei von dem Erlass aber die Grundschulen in Beckum und L.A. betroffen, die zurzeit nur einzügig laufen, bestätigte er. Die ebenfalls einzügige Grundschule Garbeck fällt als katholische Bekenntnisschule nicht unter den Erlass.

aus Der Westen, 30.5.2011, Zwei Klassen pro Jahrgang gefordert

s. hierzu auch Siegener Zeitung, 17.6.2011, Eingangsklasse nicht gesichert: „In Bekenntnisschulen wie Littfeld könne die Bandbreite für die Klassenbildung im Ausnahmefall bis auf einen Mindestwert von 15 unterschritten werden, „wenn der Weg zu einer anderen Schule dieser Schulart (Bekenntnisschule) nicht zumutbar“ sei. Als zumutbar gelte eine Schulwegdauer von insgesamt 60 Minuten.“

Wie viel komplizierter kann man eigentlich ein Grundschulsystem noch gestalten, mit undurchsichtigen und letztlich teuren Sonderregelungen (s. dazu auch diesen Artikel)? Natürlich begrüßen wir es, wenn auch kleine Schulen möglichst wohnortnah erhalten werden. Nicht nachvollziehen können wir aber eine Ungleichbehandlung von Schulen und damit Schülern, Eltern und Lehrern nach konfessionellen Kriterien.

Unterstützerliste: Gegen religiös begründete Diskriminierung an öffentlichen Grundschulen in NRW

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Wir haben die Möglichkeit, uns durch eine Online-Petition zu unterstützen, deaktiviert, da wir nicht sicher sind, dass sie mit der DSGVO in Einklang steht. Nach wie vor sind wir Ihnen aber dankbar, wenn Sie uns über per mail an kontakt@kurzebeinekurzewege.de über Probleme im Zusammenhang mit staatlichen Bekenntnisschulen informieren.

Unterstützen Sie die Anliegen der Initiative „Kurze Beine – kurze Wege“!


Durch Ihre Unterschrift bekunden Sie Ihre Unterstützung für unser Anliegen. Bitte füllen Sie dazu das folgende Formular aus. Ihre Unterschrift erscheint erst dann in der Unterstützerliste, wenn Sie den Link in der Bestätigungsmail betätigen. Ihre Email-Adresse wird ausschließlich für diesen Zweck aufgezeichnet, sie wird nicht veröffentlicht und an niemanden weitergegeben. Adressat der Petition sind die Landesregierung und der Landtag von Nordrhein-Westfalen. (Vollständige Nutzungsbedingungen)

Wir fordern Politik und Gesetzgebung in Nordrhein-Westfalen auf, die geltende Praxis an öffentlichen Bekenntnisgrundschulen zu reformieren, um folgenden Kriterien Geltung zu verschaffen:

This petition is not enabled

Anspruch und Wirklichkeit in der nordrhein-westfälischen Landespolitik am Beispiel der Grünen

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In ihrem Programm zur Landtagswahl 2010 vertraten die Grünen eine eindeutige Position:

Bei der Aufnahme an den Grundschulen dürfen Kinder nicht aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit diskriminiert werden.
(Zukunftsplan für NRW, S. 73)

Die Formulierung weist darauf hin, dass der Partei die von unserer Initiative dargestellten Probleme bei der Aufnahme an Bekenntnisgrundschulen bewusst waren. Tatsächlich hat in einer Landtagsdebatte unmittelbar vor der Wahl im März 2010 die schulpolitische Sprecherin Sigrid Beer explizit und engagiert für das Anliegen der Initiative Stellung bezogen. Wörtlich sagte sie: „Bei der Aufnahme an Grundschulen dürfen Kinder nicht aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit diskriminiert und ausgeschlossen werden” (11. März 2010, siehe Artikel Landtag NRW). Seit Juni 2010 stellen die Grünen die Schulministerin, Frau Sylvia Löhrmann.

Seither haben wir uns zwei mal an die Schulministerin gewandt mit der Bitte, den Worten Taten folgen zu lassen. In der Antwort auf unseren Brief vom 10. September 2010 (s. Artikel 4 Monate für ein einfaches „Nein“) wurde uns beschieden, dass sich an den Rahmenbedingungen seit unserer Petition von 2009 nichts geändert habe. Die Landesregierung sieht also keinen Anlass, an der diskriminierenden und widerrechtlichen Praxis etwas zu ändern, Wahlprogramm hin oder hier?

Das konnten wir nicht glauben und wandten uns daher erneut in einem Offenen Brief vom 25. Februar 2011 (s. Artikel Offener Brief an die Landesregierung: Schluss mit religiös begründeter Diskriminierung an öffentlichen Bekenntnisgrundschulen in NRW!) nicht nur an die Schulministerin, sondern auch an Integrationsminister Guntram Schneider und Ministerpräsidentin Hannelore Kraft, um auf das nach wie vor bestehende Problem der rechtswidrigen Diskriminierung hinzuweisen.

Am 30. April erhielten wir endlich die Antwort aus dem Schulministerium.

Sudheim: Bekenntnisschule mit Ausnahmegenehmigung

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Aus dem Artikel geht nicht hervor, warum auf Teufel komm raus eine Bekenntnisschule neu eingerichtet werden soll, obwohl mehr als die Hälfte der Kinder diesem Bekenntnis nicht angehören. Was in Niedersachsen anders als in NRW eigentlich nicht zulässig ist.

„Sudheim. Aus der Grundschule Sudheim soll im kommenden Jahr die katholische Kardinal-Bertram-Schule werden, die bislang ihren Sitz in Northeim hat.

Das empfahl der Northeimer Schulausschuss einstimmig und beauftragte Northeims Bürgermeister, beim Kultusministerium eine Ausnahmegenehmigung für die Umwandlung der Sudheimer Grundschule in eine Bekenntnisschule einzuholen.

Eine Ausnahmegenehmigung ist nötig, weil es für Bekenntnisschulen – in diesem Fall mit katholischem Bekenntnis – eine gesetzliche Vorgabe des Landes gibt. Danach dürfen nur maximal 30 Prozent der Kinder nicht katholischen Glaubens in einer Bekenntnisschule unterrichtet werden. Würden alle Sudheimer und Bühler Kinder mit unterrichtet, steigt dieser Wert aber auf fast 55 Prozent. […]“

HNA.de, 26.5.2011, Katholische Schule soll nach Sudheim

siehe auch HNA, 10.6.2011, Ortsrat für Kirchen-Schule

Gütersloh: KGS soll zu GGS werden, damit die Schule eine Leitung bekommt

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Immer wieder das gleiche: Diesmal überlegen Eltern in Gütersloh, eine KGS umzuwandeln, damit die Schule endlich wieder eine Leiterin bekommt. Interessantes Detail: Die derzeitige Konrektorin der Schule ist evangelisch. Was ja nach dem Schulgesetz nicht möglich ist. Angeblich. Aber offensichtlich gibt es – anders als noch 1984 – mittlerweile Ausnahmen, die die Regel bestätigen. Und daher interpretiert man §26 des Schulgesetzes so, wie es gerade passt.

„Die Avenwedder Kapellenschule ist zurzeit die einzige der 63 Grundschulen im Kreis Gütersloh, an der die Leitungsstelle nicht besetzt ist. Bisher hat sich trotz zweier Ausschreibungen kein qualifizierter Bewerber gefunden. Die Elternvertretung will sich damit nicht abfinden. […]

Die Leitungsstelle ist vakant, seit die langjährige Rektorin voriges Jahr im Sommer aus gesundheitlichen Gründen ausgeschieden ist. Auch die Konrektorin befindet sich zurzeit in Elternzeit. Seither leitet Jutta Hermann, Konrektorin der Grundschule Isselhorst, die Einrichtung am Dr.-Thomas-Plaßmann-Weg kommissarisch. Sie genießt eine große Akzeptanz unter den Eltern, könnte die Stelle aber – selbst wenn sie wollte – nicht übernehmen, weil sie evangelisch ist. […]

Der Avenwedder CDU-Ratsherr Raphael Tigges, selbst Vater an der Schule, sagte, wichtig sei, dass eine qualifizierte Schulleitung gefunden und die gute Arbeit fortgesetzt werde. Auch die Kirchengemeinde solle einbezogen werden.“
Die Glocke online, 26.5.2011, Bekenntnisschule auf dem Prüfstand

Kurzer Hinweis: Lieber Herr Tigges, reden Sie am besten gleich mit dem Bistum, aber das nützt wahrscheinlich auch nichts. Der lokale Pfarrer hat in dem Fall nichts zu sagen.  Lesen Sie mal nach, wie das in Saalhausen gelaufen ist.

(siehe auch weitere Artikel in der Kategorie “Lehrkräfte an Bekenntnisschulen“)

Ooops, wieder 5 weniger?

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In den meisten Gemeinden in NRW müssen aufgrund zurückgehender Schülerzahlen Schulen geschlossen werden. Darunter sind auch Bekenntnisschulen. Das gefällt der Kirche nicht.

„Bei Fusionen können Eltern abstimmen darüber, ob die neue Grundschule katholische Bekenntnisschule oder städtische Gemeinschaftsschule wird. Üblicherweise votiert die Mehrheit hier aber für die städtische Schulform. Damit gäbe es in Oberhausen künftig nur noch fünf statt zehn Bekenntnisschulen.

Hauptschulen: Die Stadt benötigt ab 2015 nur noch eine einzige von derzeit vier Hauptschulen. Ab 2012 soll daher die Hauptschule Eisenheim auslaufen, ab 2013 die katholische St. Michael-Hauptschule, die in der Stadt als beliebteste Hauptschule gilt. Doch: Das Michael-Gebäude im Knappenviertel ist leichter aufzugeben als die Gebäude der Hauptschulen Alstaden und Albert-Schweitzer (Klosterhardt). Denn in letztere wurden vor kurzem je 1,6 Millionen Euro Bundesmittel für den Ganztagsbetrieb investiert – die Stadt muss diese zurückzahlen, wenn es die Gebäude schließt.

Kirche erbost über Schulpläne

Aus allen Wolken sei er gefallen, als Schuldezernent Reinhard Frind die Hiobsbotschaft überbrachte: „Ausgerechnet die Hauptschule St. Michael, die so tief im Bewusstsein der Bevölkerung verankert ist“, falle nun dem Sparkonzept zum Opfer, klagt Stadtdechant Peter Fabritz. Ab 2013 soll die katholische Bekenntnisschule im Knappenviertel keine neuen Schüler mehr aufnehmen. […]“
Der Westen, 25.5.2011, Oberhausen will elf Schulen schließen

s. hierzu auch Der Westen, 7.6.2011, Kriterien für das Aus von Schulen in Oberhausen

Grundschule Buschdorf: Elternwille scheitert an gesetzlicher Regelung

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Alle Jahre wieder – Gleiche Frage, gleiche Antwort:
KGS oder GGS, was ist richtig für Buschdorf?

Der Elternwille ist eindeutig: Die überwiegende Mehrheit der Eltern will, dass die Buschdorfer Grundschule als Gemeinschaftsgrundschule für alle Kinder des Ortsteils da ist. Bei zwei Abstimmungen 2010 und 2011 sprach sich die absolute Mehrheit aller Eltern für eine Umwandlung der KGS in eine GGS aus.

Und dennoch, es waren nicht genug Stimmen. Selbst 81% aller abgegebenen Stimmen wie in 2010 sind nicht genug für einen erfolgreichen Umwandlungsbeschluss. Laut Schulgesetz müssen 2/3 aller Eltern zustimmen, die zum Zeitpunkt der Abstimmung Kinder auf der Schule haben. Wer nicht zur Abstimmung kommt, stimmt praktisch gegen eine Umwandlung. So fehlten 2010 genau 13 von insgesamt 204 Stimmen zur erforderlichen 2/3-Mehrheit aller Stimmberechtigten. 2011 waren es 26 von 212 Stimmen, die fehlten.

Die im Schulgesetz verankerte Regelung verkommt zum Bestandsschutz für Bekenntnisschulen, statt dem Elternwillen zum Recht zu verhelfen. Wir fordern die Politik auf, sich der gesellschaftlichen Realität des 21. Jahrhunderts zu stellen und die Regelungen rund um Bekenntnisschulen in NRW entsprechend anzupassen.

Flyer des katholischen Schulreferats Bonn

Flyer der Aktion "Ortsnahe Grundschule Buschdorf"

Homepage der Elterninitiative „Aktion für eine ortsnahe Grundschule in Buschdorf“

Generalanzeiger Bonn, 20.5.2011, Grundschule Buschdorf bleibt katholisch

Siehe auch:

Und wieder: Bekenntnisschule ohne Leitung, weil das Bekenntnis der Wunschkandidatin nicht stimmt

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Aus einem Artikel in der Frankfurter Rundschau (27.4.2011, Bekenntnisschulen bleiben ohne Führung) :

Die Marien-Schule im sauerländischen Lennestadt ist auf der Suche nach einer Schulleitung. Eltern und Lehrer sind sich bereits einig, doch die Sache hat einen Haken: Die Wunschkandidatin ist evangelisch, die Grundschule aber eine katholische Bekenntnisschule.

[…] Inzwischen gibt es nicht allein im Regierungsbezirk Arnsberg sogar Konrektoren, die den Chef oder die Schulleiterin vollständig vertreten, ohne der gewünschten Religion anzugehören. Auf die freie Leiterstelle in Lennestadt etwa hat sich seit mehr als einem Jahr nicht ein Katholik beworben.

Trotzdem hält der Paderborner Erzbischof Hans-Josef Becker an der Devise fest: lieber gar keine Schulleitung als eine andersgläubige – selbst wenn die Kandidatin nicht als Fremde von außen kommt, sondern als kommissarische Leiterin schon seit Jahren in der Schule heimisch ist.

[…] Auch die Schulministerin und bekennende Katholikin Sylvia Löhrmann (Grüne) will keinen Streit über die Konfessionsschulen. „Wir dürfen es in der Schulpolitik nicht zu einem Riss in der Gesellschaft kommen lassen“, so Löhrmann lapidar. Gegen die Bekenntnisschulen vorzugehen, ist für die rot-grüne Landesregierung damit genauso tabu wie für die CDU.

Damit akzeptiert die Landesregierung allerdings, dass neue Risse in der Gesellschaft entstehen. Und die Kirchen müssen sich überlegen, ob es ihrer Glaubwürdigkeit zuträglich ist, wenn sie sich auf Religionsfreiheit berufen, um ihre Besitzstände zu wahren.

P.S. Die Marien-Schule wurde per Abstimmung im Juli 2011 in eine Gemeinschaftsgrundschule umgewandelt, s. Artikel „Konsens über Umwandlung der KGS Marien-Schule Saalhausen in eine GGS„.

(siehe auch weitere Artikel in der Kategorie „Lehrkräfte an Bekenntnisschulen„)

Lieber keine Schulleitung als jemand mit falschem Bekenntnis

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Update zu diesem Artikel: Konsens über Umwandlung der Marien-Schule Saalhausen in eine GGS

Seit Jahren ist die Schuleiterstelle in der katholischen Marien-Grundschule in Saalhausen vakant. Eine Ausschreibung der Stadt hat aber einen Erfolg gebracht. Es gibt eine Bewerbung für die Stelle.

Aber die Sache hat einen bürokratischen Haken. Die Person aus dem Kollegium, die bereit wäre, zusätzliche Verantwortung zu übernehmen, hat eine „falsche“ Konfession, ist Mitglied der evangelischen Kirche. Weiterlesen

Offener Brief an die Landesregierung: Schluss mit religiös begründeter Diskriminierung an öffentlichen Bekenntnisgrundschulen in NRW!

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In einem offenen Brief fordert die Initiative „Kurze Beine – kurze Wege“ die Landesregierung auf, widerrechtliche und diskriminierende Regelungen an öffentlichen Bekenntnisgrundschulen aufzuheben. In Nordrhein-Westfalen gibt es bei insgesamt ca. 3.200 öffentlichen Grundschulen rund 1.000 katholische und 100 evangelische Bekenntnisgrundschulen. Sie alle sind zu 100% staatlich finanziert. Weiterlesen