An diesem nur noch in NRW existierenden Auswahlprinzip bei konfessionellen Grundschulen entzündete sich eine kontroverse Diskussion
Von Ebba Hagenberg-MiliuBonn. Einen schweren Stand hatte bei einer Podiums- und Publikumsdiskussion in der Deutschen Welle Andrea Gersch, Schulrätin des Erzbistums Köln. Die Tageszeitung TAZ hatte zur Frage „Wie viel Religion verträgt die Schule?“ geladen. Und auf Gersch prasselten sofort Leidensgeschichten ein, in denen nicht katholische Bonner Kinder Ablehnungen für die nächstgelegene Katholische Grundschule (KGS) erhalten hatten. „Wie erkläre ich einem Sechsjährigen, dass er nicht mit seinen Freunden eingeschult werden darf?“ fragte Franz Klein. Bundesweit nur noch in NRW sei es gesetzlich möglich, nicht getaufte Kinder auszusortieren. Das bedeute doch Segregation, Ausgrenzung pur, so Klein bitter. Auch ihre Tochter bekomme keinen Platz an der KGS nebenan, obwohl die zu 100 Prozent vom Steuerzahler getragen werde, sagte Susanne Fuchs-Mwakideu. „Wie kann 2017 der Glaube entscheidend dafür sein, in eine von uns allen finanzierte Schule gehen zu dürfen?“Die katholische Schulrätin Gersch, selbst einst Rektorin der Godesberger KGS Beethovenschule, zeigte Verständnis für die Schicksale. „Aber der Elternwille, zwischen Schulen frei wählen zu können, ist stark verankert in diesem Land. Und als Kirche unterstützen wir das ausdrücklich.“ Es müsse weiterhin jede Familie frei zwischen konfessionellen und Gemeinschaftsgrundschulen (GGS) wählen können. Fuchs-Mwakideu widersprach: Frei wählen könnten eben hauptsächlich katholische Familien. „Und wir haben offensichtlich nicht die richtige Konfession.“ Von den 49 Bonner Grundschulen seien 29 GGS, 18 katholische und zwei evangelische Schulen, und nur an zwei KGS gehe die Zahl katholischer Kinder über 50 Prozent, legte Max Ehlers von der Initiative „Kurze Beine – kurze Wege“ Zahlen auf den Tisch. Es spiegele nicht die Realität der Gesellschaft, wenn Rektoren dieser 18 KGS bei Anmeldeüberhang wohnortferne Kinder der Konfession vorziehen müssten.Es müsse weiter Grundschulen geben, in denen ein „Erforschungsraum des Glaubens“ garantiert sei, sprang Markus Goller der Schulrätin bei. Goller gehört zur Elterninitiative, die kürzlich eine Umwandlung der KGS Buschdorf in eine GGS abwendete (der GA berichtete). Gerade in Zeiten religiöser Indifferenz sei die Vermittlung christlicher Werte unverzichtbar, so Goller. Eine Wertevermittlung und gelebtes Christentum werde aber auch genauso in GGS geboten, kam aus dem Publikum. Habe nicht Christus gesagt, lasset alle Kinder zu mir kommen, argumentierte ein evangelischer Vater, dessen Tochter der Zugang zu einer KGS verwehrt wird. Sie als katholische Mutter werde wohl demnächst ihre evangelisch getauften Kinder nicht in der viel angefragten KGS um die Ecke unterbringen dürfen, berichtete eine Frau. „Das regt mich auf. Meine Kinder müssten zur nächsten GGS eine viel befahrene Straße überqueren.“Wertungen wie „ein Anachronismus und tiefstes Mittelalter“ kamen aus dem Publikum. Die Eltern jeder konfessionellen Schule hätten es aber doch selbst in der Hand, die Schulform per Abstimmung zu verändern, konterte Schulrätin Gersch. Aber dieses Verfahren habe schon für „viel Hetze“ an Schulen gesorgt, mahnte eine Frau im Publikum. Die einzige Lösung sei seiner Ansicht nach eine Änderung der NRW-Landesverfassung, und genau die fordere die Initiative „Kurze Beine – Kurze Wege“, sagte Max Ehlers.
Bekenntnisschulen
Vor der Abschaffung der Grundschulbezirke in Nordrhein-Westfalen entschied der Wohnort darüber, in welche Schule ein Kind geht. Seither gibt es Fälle, in denen Familien Ablehnungen für die nächstgelegene konfessionelle Grundschule erhalten, denn diese müssen rechtlich sogar wohnortferne Kinder der entsprechenden Konfession bevorzugen. Wobei auch Bekenntnisgrundschulen anders als weiterführende katholische oder evangelische Schulen zu 100 Prozent vom der öffentlichen Hand finanziert werden. Diese Rechtslage gibt es bundesweit nur noch in NRW.