Die Schulamtsleiterin sagt: Lehrer und Kinder an Bekenntnisschulen aus konfessionellen Gründen abzuweisen, passt nicht in die heutige Zeit: „Allerdings zwingt das Schulgesetz fast dazu”.
Kleve-Rindern. Schulgottesdienste, Religionsunterricht, Gebete und Kruzifixe in den Klassen sind in Bekenntnisgrundschulen aus dem Schulalltag nicht wegzudenken. Ob sie in Zeiten der Ökumene noch zeitgemäß sind, wagen etliche Eltern, Lehrer und Schulbehörden zu bezweifeln.
Die Elternvertreter der Schulkonferenz der Johanna-Sebus-Grundschule in Rindern haben sich intensiv mit dieser Frage beschäftigt. Ergebnis: Sie regen die Umwandlung in eine Gemeinschaftsgrundschule an. Unterstützt werden sie dabei von Schulleiterin Martina Spicher und dem Kollegium: „Wir sind dafür”. Wobei das religiöse Bekenntnis nicht das entscheidende Kriterium ist. Im Gegenteil: „Wir wollen die Zukunftschancen der Schule sichern”, betont Hans-Jürgen Liffers, Vorsitzender der Elternpflegschaft und Elternvertreter in der Schulkonferenz.
„Wir sind der Meinung, dass bei der Auswahl künftiger Lehrkräfte im Interesse unserer Kinder die pädagogische Qualifikation der Bewerber das Hauptkriterium sein sollte und nicht das religiöse Bekenntnis”, argumentiert Hans-Jürgen Liffers. Bisher habe die Konfession Priorität. Wobei er ausdrücklich künftige Lehrer im Fokus hat: „Der Erfolg unserer Schule ist in erster Linie der Qualität der bei uns tätigen Lehrer zu verdanken.”
Liffers gibt ferner zu bedenken: Theoretisch kann die Schulleitung einer Bekenntnisgrundschule Kinder anderer Konfessionen ablehnen – selbst wenn sie in unmittelbarer Nähe der Schule wohnen. Aufgrund der Altersstruktur in Rindern und der umliegenden Ortsteile sei mittelfristig mit rückläufigen Schülerzahlen zu rechnen. Konsequenz wäre Zusammenschluss oder – wie in Keeken – Schließung der Schule. Käme es zu einem Zusammenschluss mit einer Gemeinschaftsgrundschule werde die Leitung in der Regel auf diese übertragen: „Rindern könnte dann das eigene Profil nicht mehr verwirklichen.”
Weitere Pro-Argumente: Kinder seien kaum in der Lage, Auskunft über ihre Konfession zu geben. Im Freizeitverhalten der Kinder spiele der Konfessionsunterschied keine Rolle mehr. Viele Eltern wünschten sich zwar eine christliche, aber keine konfessionell gebundene Erziehung ihrer Kinder.
Hans-Jürgen Liffers ist bewusst, dass der Pastor und einige Eltern befürchten, dass sich das Verhältnis zur Kirche verschlechtern könnte. „Das ist keinesfalls unser Anliegen.” Darum hätten die Initiatoren das Gespräch mit der Schulleitung und Pfarrer Andreas Poorten gesucht. Letzterer wiederum mag der Umwandlung nicht zustimmen „Weil ich einfach sehe, dass in einer Bekenntnisgrundschule der Glaube anders zur Sprache kommt und anders gelebt werden kann.” Außerdem würden gerade Bekenntnisgrundschulen die Möglichkeit eines eigenen Profils bieten. „Eine Schullandschaft, die nur noch aus Gemeinschaftsschulen besteht, bietet keine Wahlmöglichkeiten mehr und schränkt das Wahlrecht von Eltern ein”, argumentiert Poorten. Selbst wenn – wie von Lehrern und Eltern angekündigt – Religion in der Schule weiterhin praktiziert werde, seien dem in einer Gemeinschaftsgrundschule enge Grenzen gesetzt. Pfarrer Poorten erinnert an das Kruzifix-Urteil des Europäischen Gerichtshofs. Dabei hatte in Italien eine Frau gegen das Kruzifix im Klasssenraum ihres Kindes geklagt – und sowohl Recht als auch Schadensersatz erhalten.
[…] Die Befürchtung, dass künftig nur noch katholische Lehrer eingestellt werden, mag er nicht teilen. Denn gängige Praxis sei das nach Auskunft des Schulamts des Bistums Münster nicht mehr. Sollten die Eltern sich für eine Umwandlung entscheiden, werde er das respektieren: „Es geht um die Kinder und deren Wohl sehe ich an erster Stelle.”Lehrer und Kinder an Bekenntnisschulen aus konfessionellen Gründen abzuweisen, passe nicht in die heutige Zeit, findet Schulamtsleiterin Annette Wier: „Allerdings zwingt das Schulgesetz fast dazu”. Derzeit gebe es in Kleve drei Gemeinschafts- und acht katholische Grundschulen. Um das Verhältnis ausgewogener zu gestalten, wünscht sich Annette Wier zwei weitere Gemeinschaftsgrundschulen: „Dazu werden Gespräche geführt”. Von Rindern hätte sie die Eigeninitiative nicht unbedingt erwartet: „Weil das für für mich eine kirchlich gebundene dörfliche Gemeinschaft ist”. Wobei sie die Beweggründe der Eltern versteht.
Der Westen, 12.12.2009, Eltern beantragen Umwandlung
Zwei Meinungen gibt es unter den Grundschuleltern in Rindern. Die einen möchten die Grundschule in eine Gemeinschaftsgrundschule umwandeln, die anderen möchten, dass sie konfessionell gebunden bleibt. Bis Freitag wird abgestimmt. Mittlerweile mit seltsamen „Wahlkampf“-Mitteln.
Natürlich wird in Grundschule am Niederrhein Weihnachten gefeiert, im Advent morgens eine Kerze angezündert, St. Martin einen Umzug veranstalten. Doch warnt eine Gruppe Eltern in Rindern derzeit davor, dass genau diese christlichen Traditionen verloren gehen könnten, wenn man die katholische Bekenntnisgrundschule Johanna Sebus in Rindern in eine Gemeinschaftsgrundschule umwandele.
„Ich bin aufgeregt über die Unwahrheiten“, sagt Schulleiterin Martina Spicher gestern. Eine Elterninitiative pro Bekenntnisschule hat sich gegründet, macht anhand der Klassenlisten Hausbesuche, hat Buttons, Aufkleber und Hochglanz-Flyer gedruckt „Weil Werte was wert sind“. Denn seit gestern bis morgen können die Eltern der Rinderner Grundschulkinder abstimmen, ob sie für eine Umwandlung der Schule sind.
28.4.2010, Der Westen: Schule – eine Glaubensfrage in Rindern
„Anno 2010. Die Katholiken haben gewonnen. Sie kämpften mit harten Bandagen, damit die Grundschule Rindern rein äußerlich das bleibt, was sie war: konfessionell. Innerlich aber hat sie sich verändert. Eltern wurden in zwei Lager zerrissen.
Die konservative Initiative wollte sicherstellen, dass Weihnachten und St. Martin gefeiert werden – so warben sie. Weihnachten, das heidnische Fest der Wintersonnenwende, das die Kirche übernahm. Und St. Martin, das Fest des Teilens, das von christlichen und nichtchristlichen Gruppen in ganz Europa gefeiert wird.
Für die Mehrheit der Rinderner Grundschuleltern ist zweitrangig, welche pädagogischen, sozialen, didaktischen Fähigkeiten eine Lehrerin hat. Zuvor kommt die Prüfung, ob sie katholisch ist. Als wenn das ein Wert an sich wäre. Wie und ob sie ihren Glauben mit Werten füllt, darüber entscheidet nicht der Adressat der Kirchensteuer. Da geht es um menschliche Qualität.
Jemanden, der nicht tolerant ist, der Zwietracht sät, der in Kindern falsche Ängste schürt, der Andersdenkende diffamiert – solch eine Person würde man nicht wollen. Als Lehrerin nicht.“
30.4.2010, Der Westen: Grundschule Rindern: „Die Kinder sind meine Motivation“