Der Slogan „Kurze Beine – kurze Wege“ steht auf der Hitliste der bildungspolitischen Schlagworte ganz oben. Auch NRW-Schulministerin Löhrmann erklärt in einer Pressemitteilung am 4.9.2012: „Das Prinzip ‚Kurze Beine – Kurze Wege‘ gilt auch in Zukunft“. Tatsächlich schafft das vom Kabinett verabschiedete 8. Schulrechtsänderungsgesetz die gesetzliche Basis für den Erhalt kleiner Schulen. Da dies im Sinne aller ist, die nicht fixiert sind auf kurzfristige Haushaltskonsolidierung, gibt es Zustimmung von allen Seiten (z.B. von den Lehrerverbänden VBE und GEW, s. hier und hier).
Es bleibt allerdings nach wie vor dabei, dass die Schulweglänge in Nordrhein-Westfalen für viele Grundschüler davon abhängt, ob Sie die ‚richtige‘ Konfession für die nächstgelegene Schule haben. In Bonn-Buschdorf z.B. bangen die Familien nichtkatholischer Vorschulkinder Jahr für Jahr, ob Sie auf ihrer Stadtteilschule – einer katholischen Grundschule – aufgenommen werden. Andernfalls droht statt dem Gang zur Veedelsschule die Busfahrt zur Grundschule im Nachbarstadtteil.
Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) kommentiert diesen Sachverhalt in ihrer Stellungnahme zum Entwurf des Schulrechtsänderungsgesetzes wie folgt:
“Die grundsätzliche Entscheidung zur Abschaffung der Bekenntnisschulen und damit die Entscheidung für eine „Schule für alle Kinder“ auch im Grundschulbereich werden weiterhin ausgeklammert. Dies widerspricht dem Recht auf ein inklusives Schulsystem.”
Tatsächlich ergäben sich vielerorts durch eine Aufgabe von Doppelstrukturen auch Einsparmöglichkeiten und eine Verbesserung der schulischen Versorgung. Der Lehrerverband VBE stellte in einem Gutachten mit dem Titel “Kurze Beine – kurze Wege: Gutachten zur Erhaltung von Grundschulen in Nordrhein-Westfalen” 2011 fest:
„Ein besonderes Effizienzproblem besteht in Nordrhein-Westfalen aufgrund des Nebeneinanders von verschiedenen weltanschaulichen Schulen. Hier entsteht zum Teil eine Konkurrenzsituation zwischen öffentlichen Grundschulen und benachbarten Konfessionsschulen, die zu unausgewogenen Schülerzahlen führen. Es ist auch nicht immer unabweisbar, zwei weltanschaulich verschiedene Schulen mit jeweils geringen Jahrgangsbreiten im selben Schulhaus oder in benachbarten Gebäuden unterzubringen. Im Interesse der Schülerinnen und Schüler empfehlen wir auch hier Ressourcen schonende Lösungen anzustreben, um die frei werdenden Mittel zum Erhalt kleiner Grundschulen im ländlichen Raum einzusetzen.“
Und weiter:
„Ein besonderes Problem der Grundschulen in Nordrhein-Westfalen ist eine an vielen Stellen herrschende Konkurrenz von Bekenntnisgrundschulen und Gemeinschaftsgrundschulen innerhalb des gleichen Einzugsbereiches. In Einzelfällen kann dies sogar auf ein schwieriges Nebeneinander unterschiedlicher Bekenntnisgrundschulen und Gemeinschaftsgrundschulen hinauslaufen. Die Landesregierung sollte dafür Sorge tragen, dass solche Konkurrenzbeziehungen einvernehmlich abgebaut werden. Im Wissen um die verfassungsrechtlich verankerte Stellung der Bekenntnisgrundschulen soll hier nicht der untaugliche Vorschlag unterbreitet werden, diese Schulen in Gemeinschaftsgrundschulen umzuwandeln – oder umgekehrt. Der Landesregierung aber steht es immerhin frei, die bisher sehr restriktiven Bedingungen für Umwandlungen im Einzelfall zu verändern. Auch Städte und Gemeinden, die ja Schulträger der Bekenntnisgrundschulen sind, können initiativ werden und Schulen davon überzeugen, dass eine freiwillige Fusion zweier eigenständiger Schulen im Zweifel die bessere Option ist als eine erzwungene Schulschließung.“
Am 19.11.2012 veranstalten die Bonner Stadtschulpflegschaft und die Initiative „Kurze Beine – kurze Wege“ in Bonn eine Podiumsdiskussion zum Thema „Staat, Kirche, Religion – Wie passen Bekenntnisgrundschulen in unsere Gesellschaft?“ Wir sind gespannt, wie die schulpolitischen Sprecher/innen der Parteien dazu Stellung beziehen werden.