Schulgesetz von NRW verstößt gegen AGG

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“Eine Benachteiligung aus Gründen der Religion oder Weltanschauung liegt vor.”

So hatte es Rechtsanwalt Frank Jansen als Sachverständiger im Februar 2015 im Landtag NRW festgestellt und damit die Position unserer Initiative bestätigt. Weiter argumentierte er, eine unterschiedliche Behandlung von Schülern aufgrund ihres Glaubens sei nach dem Antidiskriminierungsgesetz vertretbar, nicht aber die Benachteiligung von Lehrkräften.

Nun wurde genau diese Frage eingehend in einem Fachartikel untersucht. Der Jurist Sebastian Hartmann kommt darin zu  dem eindeutigen Schluss:

“Durch die geforderte Bekenntniszugehörigkeit von Lehrkräften und Schulleitung verstößt § 26 Abs. 6 SchulG NRW sowohl in seiner bisherigen als auch in seiner neuen Fassung gegen höherrangiges Bundesrecht in Form von § 1 AGG. Der Staat als solcher kann, obwohl er Bekenntnisschulen betreiben darf, sich nicht auf die Ausnahmeregelungen des AGG berufen, die in der derzeitigen Ausgestaltung zweifelsfrei nur für Religionsgemeinschaften gelten. Um diesen Missstand aufzulösen, müsste das Schulgesetz dahingehend geändert werden, dass es AGG-konform keine Einstellungsvoraussetzungen an das Bekenntnis knüpft.”

Vielen Lehrerinnen und Lehrern nützt diese Feststellung nichts mehr: Bis vor kurzem wurde ihnen von Lehrerverbänden abgeraten, den Klageweg zu gehen.

Wir sind gespannt, wie die politischen Entscheidungsträger mit der juristischen Einschätzung Hartmanns umgehen. Als Rechtsanwalt Jansen in der Sachverständigenanhörung auf das Problem hinwies, führte dies nicht zu einer entsprechenden Änderung der Gesetzesvorlage.

Tatsächlich gehen unsere Forderungen ohnehin weiter, da wir überzeugt sind, dass auch die unterschiedliche Behandlung von Schülerinnen und Schülern an öffentlichen Schulen unverzüglich beendet werden muss. In der gleichen juristischen Fachzeitschrift forderte ganz in diesem Sinne der Jurist und Erste Beigeordnete der Stadt Warendorf, Dr. Martin Thormann bereits 2011:

“Die öffentliche Bekenntnisschule ist heute ein Anachronismus, liegt ihr doch die Idee zugrunde, dass für die schulische Bildung der Kinder die jeweilige Konfession prägend sein soll.”

Anmerkung: 
AGG = Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz, umgangssprachlich Antidiskriminierungsgesetz, s. wikipedia-Artikel

Quellen:

Flüchtlingssituation stellt Regelungen zu öffentlichen Bekenntnisgrundschulen in Frage

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Initiative Kurze Beine – kurze Wege, 13.9.2015

(aktualisiert am 18.9.2015)

Viele Kommunen in Deutschland müssen derzeit schulpflichtigen Kindern aus Flüchtlingsfamilien einen Schulplatz  gewähren, auch wenn vielfach die Schulen bereits große Klassen haben.  In Nordrhein-Westfalen werden offenbar die bisherigen Regelungen zur restriktiven Aufnahme bekenntnisfremder Kinder zur Makulatur. Vielfach wird sogar die normalerweise gültige maximale Klassengröße von 29 Kindern überschritten. In der aktuellen Situation liegt es auf der Hand, dass auch Bekenntnisschulen Flüchtlingskinder aufnehmen müssen und von deren Eltern schwerlich das Einverständnis verlangt werden kann, ihre Kinder im jeweiligen Bekenntnis unterrichten und erziehen zu lassen.

In Niedersachsen stehen gesetzlich eindeutige Regelungen offenbar solchen “rheinischen Lösungen” entgegen. Weiterlesen

Nach diesen Kriterien entscheidet eine Würseler Grundschule über die Aufnahme von Schulkindern

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Kurze Beine – kurze Wege, 16. August 2015

Eine Würseler Grundschule erläutert auf ihrer Webseite in aller Ausführlichkeit, nach welchen Kriterien sie Kinder aufnimmt.

Aufnahmekriterien für die Sebastianusschule (Katholische Bekenntnisschule) sind:

  • Zugehörigkeit des Kindes zum katholischen Bekenntnis (Taufe)
  • Zugehörigkeit des Kindes zum griechisch oder russisch orthodoxen Bekenntnis
  • Zugehörigkeit zum evangelischen Bekenntnis
  • Geschwisterkinder
  • Schulwege (kurze Beine, kurze Wege)
  • Muslimische Kinder
  • Kinder, die keinem Bekenntnis angehören (ohne Taufe)

Über Ausnahmen entscheidet die Schulleitung.
Für alle Kinder ist der katholische Religionsunterricht Pflicht. Das Fach Religion wird benotet.
Eltern, deren Kinder nicht katholisch sind, müssen sich mit der Erziehung an einer katholischen Bekenntnisschule und der Teilnahme des Kindes am Religionsunterricht einverstanden erklären.

Auf welcher Grundlage wurde diese Liste erstellt? Man wüsste gerne, warum evangelische Kinder Vorrang vor Geschwisterkindern haben, nicht aber muslimische Kinder. Und welche Ausnahmen bleiben da noch, über die die Schulleitung gesondert entscheiden möchte, Anhänger des fliegenden Spaghettimonsters vielleicht?

Hier geht es zur Fundstelle.

Bekenntnisgrundschulen in NRW – Zahlen und Statistisches

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(zuletzt aktualisiert: 17.01.2025)

Die Länge des Schulwegs für die kleinsten Schüler/innen und die Verwirklichung des Prinzips der Religionsfreiheit an Grundschulen hängt für Lehrkräfte und Schüler/innen in großen Teilen Nordrhein-Westfalens maßgeblich von der Konfession ab. Die Verfassung des Landes garantiert die Existenz staatlicher Bekenntnisschulen. 2015 wurde durch eine Schulgesetzänderung die Umwandlung von Bekenntnisschulen etwas erleichtert und die strikte Bekenntnisbindung von Lehrkräften aufgeweicht und damit der (gelebten) Realität angenähert.

Die Situation an den Grundschulen in Nordrhein-Westfalen war insgesamt aufgrund des Geburtenrückgangs bis 2015 durch abnehmende Schülerzahlen gekennzeichnet, seit 2016 steigen die Schülerzahlen wieder. Der Anteil katholischer und evangelischer Kinder an den Grundschulen des Bundeslandes geht stetig und zunehmend rasant zurück: Waren 2001 noch 74,4% getauft (ev. oder röm.-kath.), so waren es im Schuljahr 2023/24 nur noch 46,7% (im Vorjahr noch 48,2%) – weniger als die Hälfte aller Grundschulkinder sind also getauft Der Anteil der Grundschulkinder, die keiner Religion zugeordnet sind, erhöhte sich dagegen im gleichen Zeitraum von 9,4% auf 24%. Der relative Anteil muslimischer Kinder erhöhte sich in diesem Zeitraum ebenfalls deutlich von 11,8% auf 20,8% (im Vorjahr noch 20,1%).

Bekenntnisgrundschulen in NRW in Zahlen (alle Zahlen beziehen sich auf das Schuljahr 2023/24)

Insgesamt gibt es 708.140 Grundschulkinder (1970: 1.071.127), davon sind

  • 28,2% römisch-katholisch (2001/2: 44,2%)
  • 24% ohne Konfession (2001/2: 9,4%)
  • 20,8% muslimisch (2001/2: 11,8%)
  • 18,5% evangelisch (2001/2: 30,2%)
  • 8,5% andere Konfessionen

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Schon gewusst? Fakten zu öffentlichen Bekenntnisschulen

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Die erste Version dieses Artikels stammt von Oktober 2012. Wir haben farblich markiert, welche Änderungen sich durch die Neufassung des Schulgesetzes 2015 ergeben.

Wussten Sie schon,

  • dass es in Nordrhein-Westfalen und Teilen Niedersachsens öffentliche Bekenntnisschulen gibt, die zu 100% von allen Steuerzahlern bezahlt werden?
  • dass in NRW ein Drittel aller Grundschulen öffentliche Bekenntnisgrundschulen sind?
  • dass die Trennung von Kindern nach Konfession und Religion an öffentlichen Schulen in allen anderen Bundesländern Ende der 60er Jahre des letzten Jahrhunderts abgeschafft wurde, in NRW dagegen 2009 durch die Abschaffung der Schuleinzugsbezirke sogar gestärkt wurde? Aufgenommen werden zunächst alle im Schulbekenntnis getauften Kinder. Erst wenn dann noch Plätze frei sind, können auch andere Kinder aufgenommen werdenWeiterlesen

Katholische Gemeinschaftsgrundschule?

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“Als ehemalige Rektorin der Gemeinschaftsgrundschule Marsberg fühle ich mich verpflichtet, aus jahrzehntelanger Erfahrung darauf hinzuweisen, dass die Umwandlung einen Beitrag für das friedvolle Zusammenleben der Bürger bedeutet.”

Dies schriebt eine pensionierte Lehrerin an die Westdeutsche Allgemeine Zeitung in einem Leserbrief, nachdem in einem Artikel über den Wanderausflug einer “katholischen Gemeinschaftsschule” berichtet wurde. Weiterlesen

NRW-Schulgesetz zu Bekenntnisschulen steht vor Verabschiedung

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Kurze Beine – kurze Wege, 13 März 2015

Am 18. März 2015 wird das 11. Schulrechtsänderungsgesetz in 2. Lesung in den Landtag Nordrhein-Westfalen eingebracht. Es soll wie berichtet die Umwandlung von staatlichen Bekenntnisgrundschulen erleichtern. Weiterlesen

Nachbetrachtungen zur Expertenanhörung zum Bekenntnisschulgesetz

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Der von rot-grün im Landtag eingebrachte Gesetzentwurf zu öffentlichen Bekenntnisschulen erhielt bei der Expertenanhörung am 4. Februar 2015 breite Unterstützung. Das Gesetz wird daher aller Voraussicht nach mit geringfügigen Korrekturen im Frühjahr 2015 in Kraft treten. Weiterlesen

Josefschule Menden: Anders als die Mehrheit der Eltern weiterhin katholisch

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Bonn, 25.1.2015

Im September berichteten wir über die Pläne von Eltern in Menden, ihre katholische Grundschule in eine Gemeinschaftsgrundschule umzuwandeln. Weniger als die Hälfte der Kinder an dieser Schule sind katholisch. Der Schulleiter selbst zeigte Verständnis für die Bestrebungen. Er erklärte damals, dass…

…Eltern anderer Glaubensrichtungen regelmäßig zusammenzucken, wenn er ihnen erklärt, dass ihr Kind auf jeden Fall zum Gottesdienst mit in die Vincenzkirche muss, dass jeden Morgen gebetet wird, dass ein Kreuz in der Klasse hängt und der Religionsunterricht verpflichtend ist. Gerade in der Innenstadt mit ihrem höheren Migrantenanteil sei man inzwischen die einzige Grundschule, auch daher rühre letztlich der Wandel. Auf der anderen Seite seien auch Gemeinschaftsschulen christlich geprägt: „Sie feiern auch Weihnachten oder St. Martin.“
(WAZ 29.9.2014, Debatte zu Bekenntnis der Josefschule Menden)

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