Neues Schulgesetz soll Diskriminierung an öffentlichen Grundschulen beenden

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Update: Auf dem Landtagsportal kann ein Protokoll der Landtagsdebatte vom 17.12.2014 abgerufen werden sowie ein Videomitschnitt der Debatte (Beginn bei 4:40:35). 

Hanna-Renate Laurien (CDU, katholisch):
“Kinder müssen zusammen lernen,
gleich welcher Konfession sie angehören.”

Düsseldorf, 17. Dezember 2014

Am heutigen Mittwoch um 15:30 wird im Düsseldorfer Landtag ein gemeinsamer Gesetzentwurf der Fraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen eingebracht. Eine Neuregelung des Schulgesetzes soll die Umwandlung öffentlicher Bekenntnisschulen in Gemeinschaftsschulen erleichtern. Darüber hinaus sollen zukünftig auch Lehrkräfte an dieser Schulart unterrichten können, die dem Schulbekenntnis nicht angehören.

Damit reagiert die Landespolitik darauf, dass sich rund um Bekenntnisgrundschulen in den vergangenen Jahren vielfach Konflikte entzündet haben: Dabei ging es um das Thema der Aufnahme wohnortnaher Schülerinnen und Schüler, die nicht dem Schulbekenntnis angehören; um die Verpflichtung, an öffentlichen Bekenntnisschulen an Religionsunterricht und Gottesdiensten teilzunehmen; und um die Anstellungsmöglichkeiten nichtreligiöser Lehrkräften oder solcher mit anderem Bekenntnis.

Die Politik kommt mit der Gesetzesinitiative ihrem Auftrag aus der Verfassung des Landes Nordrhein-Westfalen nach:  In Artikel 8 wird dort ausdrücklich gefordert, „dass das Schulwesen den kulturellen und sozialen Bedürfnissen des Landes entspricht“. Das Verwaltungsgericht Minden hat in einem Beschluss vom August 2013 (8 L 538/13) im Zusammenhang mit der Ablehnung eines muslimischen Kindes an einer katholischen öffentlichen Bekenntnisgrundschule wie folgt auf diese Verpflichtung hingewiesen: „Letztlich ist es vorrangige Aufgabe der politischen Entscheidungsträger, gesetzliche Bestimmungen ggf. dem gesellschaftlichen Wandel anzupassen und die Normen mit der Wirklichkeit wieder in Einklang zu bringen.”

In der Tat entsprechen im Fall der staatlichen Bekenntnisschulen die Normen schon lange nicht mehr der gesellschaftlichen Realität in Nordrhein-Westfalen. Ein Drittel aller öffentlichen Grundschulen sind bekenntnisgebunden, obwohl an den wenigsten von ihnen eine große Mehrheit in der entsprechenden Konfession getauft ist. Nach den amtlichen Schul­daten für das Schuljahr 2012/2013 gehörten zu diesem Zeitpunkt an 54 evangelischen und an 263 katholischen Bekenntnisgrundschulen in öffentlicher Trägerschaft weniger als 50 % der Schülerinnen und Schüler dem jeweiligen Schulbekenntnis an. In 81 Gemeinden gab es ausschließlich Bekenntnisgrundschulen.

„Kurze Beine – kurze Wege“ begrüßt außerordentlich, dass mehr als 5 Jahre nach Gründung der Initiative verbesserte Bedingungen für die Umwandlung öffentlicher Bekenntnisschulen geschaffen werden sollen. Allerdings gehen in unseren Augen die im Konsens mit den Kirchen geplanten Änderungen nicht weit genug: Die Neufassung des Schulgesetzes stellt nicht sicher, dass

  • alle Kinder unabhängig von Glaube und Herkunft ein Aufnahmerecht an der nächstgelegenen öffentlichen Grundschule erhalten;
  • an allen öffentlichen Schulen die fachliche Qualifikation Hauptkriterium bei der Besetzung von Lehrer/innenstellen und Leitungspositionen ist;
  • Kinder an öffentlichen Schulen keinen Religionsunterricht in einem Bekenntnis besuchen müssen, dem sie nicht angehören. 

Bis heute legitimiert der Verfassungsrang der Bekenntnisschulen in Nordrhein-Westfalen die Diskriminierung von Lehrkräften und Schülerinnen und Schülern nach religiösen Kriterien an öffentlichen Einrichtungen, die von allen Bürgern gezahlt und getragen werden. Angesichts einer zunehmenden Säkularisierung und gleichzeitig einer stärkeren religiösen Pluralität entsteht durch die Aufrechterhaltung von Bekenntnisschulen in staatlicher Trägerschaft zunehmend ein Spannungsverhältnis zu zentralen Artikeln des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland, die nicht nur den beiden großen Kirchen, sondern auch anderen religiösen Gemeinschaften und der wachsenden Gruppe nichtreligiöser Menschen Religionsfreiheit garantieren.

Wir fordern daher den Landtag NRW auf, die Landesverfassung zu ändern, um die Diskriminierung zu beenden.

In der Initiative “Kurze Beine – Kurze Wege” engagieren sich Menschen aus ganz Nordrhein-Westfalen. Die Initiative ist überparteilich und unabhängig. Sie besteht aus gläubigen und nichtgläubigen Bürgern des Landes: Wir sind katholisch, evangelisch, muslimisch und bekenntnislos, mit und ohne Migrationshintergrund. Wir setzen uns kritisch mit den Bekenntnisgrundschulen in NRW auseinander. Es ist ausdrücklich nicht unser Anliegen, Religion und ihre Rolle in unserer Gesellschaft grundsätzlich in Frage zu stellen.

Streitgespräch über Bekenntnisschulen in der Kölner Kirchenzeitung

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„Man kann mitnichten davon sprechen, dass kirchliche Regeln an öffentlichen Schulen gelten. Die Regeln dort sind nicht von der Kirche gemacht, sondern vom Staat.“ (Andrea Gersch, erzbischöfliche Schulrätin)

Am 5.12.2014 wurde Max Ehlers in die Räume der Kölner Kirchenzeitung eingeladen, um für die Initiative „Kurze Beine – kurze Wege“ ein Streitgespräch mit der Erzbischöflichen Schulrätin Andrea Gersch zu führen. Das Gespräch ist hier dokumentiert: Pro und Contra: Sind Bekenntnisschulen noch zeitgemäß? (S. 4-5)

Katholischer Gottesdienst als schulische Pflichtveranstaltung für alle Kinder?

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Richtigstellung vom 22.1.2015:

In unserem Artikel vom 17.11.2014 äußerten wir die Vermutung, dass das katholische Schulreferat für die Verschärfung des Schulprofils verantwortlich sei.  Heute wurden wir darauf hingewiesen, dass das „Katholische Schulreferat […] am Vorgehen der Schule in keiner Weise beteiligt“ gewesen sei. Vielmehr habe sich das Referat Anfang Januar 2015 bei der Schulleitung ausdrücklich für eine Beibehaltung der bisher geltenden Regelungen der als „Flächendeckenden KGS“ geführten Schule eingesetzt. Das Schulreferat gehe davon aus, dass Schülerinnen und Schüler an der besagten Schule auch weiterhin nicht zur Teilnahme an Religionsunterricht und Schulgottesdienst gezwungen würden.


Bonn, 17.11.2014

Eine Schule für alle Kinder im Ortsteil. Das war die „Katholische Grundschule Waldviertel“ (Name geändert) seit jeher. Sie ist die einzige Grundschule in dem bei Familien beliebten Ortsteil einer mittelgroßen Stadt in NRW. Zwar ist sie dem Namen nach eine konfessionelle Grundschule. Sie wurde aber mit ausdrücklicher offizieller Billigung der Kommune schon seit langem nicht wie eine konfessionelle Grundschule geführt. Bis zur Aufhebung der Schulbezirke stand sie allen Kindern der Nachbarschaft unabhängig von Religion und Bekenntnis offen: Neben dem katholischen Religionsunterricht gab es evangelischen Religionsunterricht, Kinder anderer Bekenntnisse und Religionen oder solche ohne Bekenntnis mussten nicht am Religionsunterricht teilnehmen. Es gab evangelische und katholische Gottesdienste für die jeweiligen Kinder. Die anderen Kinder kamen später oder wurden in der Schule betreut.

Jetzt will das katholische Schulreferat offenbar das religiöse Profil der Schule schärfen. Am Vorabend des letzten Schulgottesdienstes erhielten die Klassenpflegschaftsvertreter ein Schreiben, wonach alle Kinder, die nicht evangelisch seien, ab sofort verpflichtend in den katholischen Schulgottesdienst gehen müssten. Diese Regelung gelte für alle zukünftigen Schulgottesdienste.

Die Elternvertreter können das kaum glauben. Eine Anfrage beim Schulministerium trägt wenig zur Klärung der Angelegenheit bei.  In der Antwort heißt es: Weiterlesen

„Die Zukunft der öffentlichen Bekenntnisschule erscheint nach dieser Diskussion fraglich“

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Wir berichteten bereits über eine Veranstaltung zum Verhältnis von Kirche und Staat im Juni 2014 im Landtag NRW. Wir freuen uns, dass uns jetzt ein Videomitschnitt von einem Teil der Veranstaltung zur Verfügung gestellt wurde (herzlichen Dank dafür an Ricarda Hinz, videoteuse.de). Dr. Frank Vollmer, Redakteur der Rheinischen Post, berichtet im Plenum des Landtags über ein Forum zum Thema Kirche und Bildung, in dem Landtagspolitiker und Kirchenvertreter mit einem Verfassungsrechtler über öffentliche Bekenntnisschulen diskutierten.

[youtube]https://www.youtube.com/watch?v=uygwCp_dslk[/youtube]

Mitschrift des Berichts von Dr. Frank Vollmer

Forum 4, betitelt „Die Präsenz der Kirche im Bildungswesen“, hatte sich zunächst mit der Tatsache auseinanderzusetzen, dass Nordrhein-Westfalen in Bezug auf das Schulwesen einzigartig ist. Nur in NRW gibt es in nennenswerter Größenordnung staatliche Bekenntnisgrundschulen: Öffentliche, also auch öffentlich finanzierte Schulen, die nach konfessionellen Grundsätzen arbeiten und an denen auch die Lehrkräfte grundsätzlich die Konfession der Schule besitzen sollen. Etwa ein Drittel der Grundschulen hier in Nordrhein-Westfalen sind solche Bekenntnisschulen. Der größte Teil davon ist katholisch.

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FDP fordert flächendeckenden Ethikunterricht an Grundschulen in NRW

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Düsseldorf, 2. Juli 2014 (Artikel verfasst am 4. September 2014, editiert am 5. September)

Die FDP möchte, dass Grundschulkinder in NRW Anspruch auf Ethikunterricht bekommen. Aufgrund des wachsenden Anteils bekenntnisloser Kinder eine grundsätzlich sinnvolle Idee. Das finden auch alle Parteien im Landtag NRW. Aber: An einem Drittel aller öffentlichen Grundschulen müssen Kinder am Religionsunterricht teilnehmen, weil sie Bekenntnisschulen sind. Und wenn die katholische Kirche über Änderungen „nicht ganz so glücklich ist“, lässt die FDP lieber die Finger davon.   Weiterlesen

Staat und Kirche in NRW – Zukunft der Bekenntnisgrundschulen

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(veröffentlicht am 19.6.2014, editiert am 28.6.2014)

Am 16. Juni 2014 luden evangelische und katholische Kirche in den Düsseldorfer Landtag, um die Folgen einer zunehmenden religiösen Pluralität und Säkularisierung für das RSymposium Staat und Kircheeligionsverfassungsrecht in Nordrhein-Westfalen zu diskutieren (Programm hier). Die höchsten Kirchenvertreter aus den Bistümern und Landeskirchen auf dem Landesgebiet waren in den Landtag gekommen, um mit Repräsentanten aus Kirche und Gesellschaft über drängende Themen im Verhältnis von Kirche und Staat zu diskutieren, wie etwa das kirchliche Arbeitsrecht, die Staatsleistungen an die Kirchen und die Frage des Tanzverbots an hohen kirchlichen Feiertagen. Angehörige anderer Religionen und Vertreter säkularer Verbände waren vom Veranstalter offensichtlich nicht offiziell und gezielt eingeladen worden. Gleiches gilt übrigens für die „Initiative Kurze Beine -kurze Wege“. Erfreulicherweise konnten kurzfristig doch zwei von uns an der Veranstaltung teilnehmen.

In Forum 4 ging es nämlich um das Thema „Zukunft der Bekenntnisgrundschulen“. In einem Impulsvortrag stellte hier zunächst der Münsteraner Professor Dr. Hinnerk Wißmann aus verfassungsrechtlicher Perspektive erfreulich eindeutig dar, dass öffentliche Bekenntnisschulen angesichts geänderter gesellschaftlicher Rahmenbedingungen und dem Verlust konfessioneller Homogenität einen Anachronismus darstellen, der dringend einer Reform bedarf, zumal alle anderen Bundesländer das Konstrukt schon vor bald 50 Jahren gekippt haben. Weiterlesen

Interview mit dem hpd zu den jüngsten Entwicklungen

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In einem Interview mit dem Humanistischen Pressedienst zeigt sich Ini-Mitglied Max Ehlers erfreut über die jüngeren Entwicklungen in Bezug auf die öffentlichen Bekenntnisschulen: Die eindeutige Positionierung der NRW-Grünen wird als Ent-Tabuisierung des Themas gewertet:

Mindestens genauso wichtig wie der Parteitagsbeschluss der Grünen ist aber, dass die Regierungsfraktionen noch vor dem Sommer einen Gesetzentwurf im Landtag einbringen wollen, der im Rahmen des gesetzlich Möglichen Verbesserungen bringt.“ 

Weiter werden in dem Interview die Details des Gesetzentwurfs erörtert, soweit sie bekannt sind. Im Gespräch geht es auch um die Chancen einer baldigen Verfassungsänderung:.

„Eine Änderung der Verfassung ist unumgänglich, wenn man den Zustand beenden will, dass öffentliche Einrichtungen und damit der Staat nach religiösen Kriterien diskriminiert.“

Weiter zum vollständigen Interview (hdp.de, 23.6.2014).

Grüne NRW fordern Umwandlung von Bekenntnisgrundschulen in Gemeinschaftsschulen

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Auf ihrem Landesparteitag am 14. und 15. Juni werden die NRW-Grünen über einen Antrag abstimmen, wonach die Bekenntnisgrundschulen des Landes in Gemeinschaftsgrundschulen umgewandelt werden sollen. Die Kernforderung des Antrags lautet: „Wir GRÜNE in NRW wollen das Schulgesetz ändern und Mehrheiten für eine Verfassungsänderung suchen.“ Damit bezieht die Partei endlich eindeutig öffentlich Stellung. Das war in der Vergangenheit nicht immer der Fall. Es ist erfreulich, dass die Partei auch vor einer Verfassungsänderung nicht mehr zurückschreckt.

Wir hoffen, dass sich andere Parteien diesem Vorstoß der Grünen anschließen..

Atheistische Konfessionsschulen – nur ein Aprilscherz?

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Bonn, 2. April 2014

Unser Artikel über die Gründung einer „atheistischen Richard-Dawkins-Grundschule“ in Düsseldorf war erstunken und erlogen und gemessen an den Reaktionen und den Zugriffszahlen auf den Artikel ein sehr gelungener Aprilscherz. Einerseits. Andererseits wäre es bei der geltenden Gesetzeslage in Nordrhein-Westfalen nur folgerichtig, neben den bestehenden christlichen Bekenntnisschulen auch atheistische und islamische Grundschulen zu gründen. Wünschenswert ist das aber nicht.

Im Folgenden finden Sie eine kommentierte Fassung des Artikels, in dem Tatsachen und Hinzudeutungen farblich markiert sind [und durch weiterführende Informationen erläutert werden].   Weiterlesen

Wenn 12% der Stimmen mehr wiegen als 59%

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„So ist Demokratie“, wird die Schulleiterin zitiert. In Oer-Erkenschwick ist die Umwandlung der evangelischen Albert-Schweitzer-Schule in eine Gemeinschaftsschule für alle ortsansässigen Kinder gescheitert.  26 Nein-Stimmen genügten, um das Ansinnen von immerhin 59% aller Eltern zu verhindern. 126 Stimmen wurden für eine Umwandlung abgegeben. Damit sprachen sich 77% aller Eltern, die sich an der Abstimmung beteiligten, für eine Umwandlung aus. Sogar Kirchenvertreter hatten übrigens eine Umwandlung der Schule befürwortet, nachdem der Beschluss über die Auflösung der katholischen Nachbargrundschule beschlossene Sache war.

Das also ist Demokratie in NRW.