Übergabe der Petition für Bülent an Sigrid Beer

Share

Liebe Unterstützerinnen und Unterstützer der ‚Petition für Bülent‘!

Übergabe der Petition für Bülent an Sigrid Beer

Übergabe der Petition für Bülent an Sigrid Beer

Paderborn. Am Samstag, den 21.9.2013 wurde unsere Petition mit 2.283 Unterschriften an Sigrid Beer als Stellvertreterin der Regierungskoalition in Nordrhein-Westfalen übergeben. Beer ist nicht nur Paderborner Landtagsabgeordnete, sondern auch parlamentarische Geschäftsführerin und schulpolitische Sprecherin von Bündnis 90/Die Grünen im Landtag. Sie erklärte sich bereit, das Anliegen der Unterzeichner nach Düsseldorf zu überbringen. Vorgenommen wurde die Übergabe von Michael Schäder, Stadtschulpflegschaftsvorsitzender in Paderborn, gemeinsam mit dem stellvertretenden Vorsitzenden des Integrationsrates, Sohail Ahmed. Weder die Schulleitung der Bonifatiusschule noch die Schulaufsicht noch das Schulverwaltungsamt waren bereit gewesen, die Petition persönlich entgegenzunehmen.

Bei der Übergabe betonte Schäder, dass er sich eine Änderung der gesetzlichen Rahmenbedingungen wünsche. Es sei nicht einzusehen, warum in staatlichen Schulen Kinder nach Religionszugehörigkeit getrennt würden. Ebenso sei es falsch, dass staatliche Schulen Kinder zur Teilnahme an Religionsunterricht oder Gottesdiensten verpflichteten, obwohl das Grundgesetz diese Entscheidung explizit den Eltern überlasse.

Sohail Ahmed verwies darauf, dass der aktuelle Fall nur die Spitze des Eisbergs darstelle: Viele Kinder in Paderborn besuchten unfreiwillig eine weit entfernte Grundschule, weil sie an der nächstgelegenen Grundschule nur unter der Bedingung der Teilnahme an Religionsunterricht und Gottesdienst aufgenommen würden. Viele andere andersgläubige Eltern ließen ihre Kinder notgedrungen am katholischen Religionsunterricht teilnehmen, da sie nicht die Möglichkeit hätten, ihre Kinder quer durch die Stadt zur Schule zu begleiten.

Frau Beer versicherte den Petenten, dass die Geschehnisse in Paderborn im Düsseldorfer Landtag aufmerksam verfolgt würden. Sie betonte, dass sie sich einen anderen Verlauf der Auseinandersetzung gewünscht hätte. Die Eskalation sei nicht nötig gewesen. Bis zum Schluss habe sie sich für die Aufnahme von Bülent als Gastschüler eingesetzt. Des Weiteren verwies sie auf ihre seit langem andauernden Bemühungen um eine gesetzliche Neuregelung im Einvernehmen mit den Kirchen. Sie sei zuversichtlich, dass man in absehbarer Zeit eine positive Lösung präsentieren könne, die die Bedürfnisse aller Beteiligten berücksichtige. Allerdings müsse man behutsam vorgehen, da man niemand vor den Kopf stoßen wolle.

Was ist aus Bülent geworden?

Vor drei Wochen hätte Bülent gemeinsam mit seinen Kindergartenfreunden an der Bonifatiusschule eingeschult werden sollen. Der Schulleiter der städtischen katholischen Bekenntnisschule lehnte die Aufnahme des Jungen ab, weil die Eltern nicht bereit waren, auf ihr Grundrecht zu verzichten, ihren Sohn vom Religionsunterricht abzumelden. Sie waren – anders als das Oberverwaltungsgericht NRW – der Ansicht, dass ein 50-minütiger Schulweg zu einer Gemeinschaftsgrundschule im Stadtgebiet von Paderborn mit seinen 23 öffentlichen Grundschulen unzumutbar ist.

Am Einschulungstag wurde Bülent unter Verweis auf das Hausrecht mit seinen Eltern des Schulhofs verwiesen. Er und seine Schwester besuchen mittlerweile eine andere Schule. Ihr Schulweg beträgt jetzt 4,5 km statt 200 m. Die sechs wohnortnächtsen Grundschulen sind öffentliche katholische Schulen, in denen die Kinder Religionsunterricht in einem Bekenntnis besuchen müssten, dem sie nicht angehören. Bülents Eltern erwägen, wegen der schwierigen Erreichbarkeit der neuen Schule nach 10 Jahren aus ihrem Stadtteil wegzuziehen.

Direkt neben Bülents neuer Schule, einer Gemeinschaftsgrundschule, liegt eine katholische Bekenntnisschule. Die beiden Schulen sind in einem Gebäudekomplex untergebracht: Aula, Sporthalle und Speiseraum werden gemeinsam genutzt. Bülents Vater erzählt: „Die Migrantenkinder gehen überwiegend durch die rechte Tür in die Gemeinschaftsschule, die ‚einheimischen‘ Kinder überwiegend durch die linke Tür in die Bekenntnisschule. Meinen Kindern fiel das sofort auf: ‚Papa, in meiner Klasse sind ganz viele Kinder mit türkischem Namen‘.“ Bülent selbst ist in Paderborn geboren, er ist deutscher Staatsbürger. Auch an der neuen Schule lernt Bülent, dass die Forderung aller im Bundestag vertretenen Parteien nicht Realität ist, sondern weiterhin ein politischer Auftrag an unsere Volksvertreter bleibt: „Alle Kinder sollen ungeachtet ihres kulturellen Hintergrundes gemeinsam unterrichtet werden.”

Auf dem Elternabend erfuhr Bülents Vater vergangene Woche, dass der Stadtrat vor zwei Jahren beschlossen hat, die beiden Schulen aus organisatorischen Gründen zusammenzulegen. Laut Schulentwicklungsplan soll der Zusammenschluss 2016/17 stattfinden. Es ist nicht auszuschließen, dass die neue Schule eine katholische Bekenntnisschule wird. Bülents Familie rätselt jetzt schon, ob sie zur Einschulung von Bülents kleinem Bruder, die 2019 ansteht, erneut umziehen muss, wenn sie von ihrem Grundrecht auf Religionsfreiheit Gebrauch machen will.

Mit Bülents Familie hoffen wir noch immer auf eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts, die unserem Rechtsempfinden besser entspricht. Bis jetzt wurden lediglich Eilentscheidungen getroffen, die das Verfahren in der Hauptsache nicht vorwegnehmen. Der Familie sind durch das Verfahren aber bereits erhebliche Anwalts- und Gerichtskosten entstanden.

Die Initiative „Kurze Beine – kurze Wege“ möchte Bülents Familie bei den Prozesskosten unterstützen.

Jede Spende hilft, auch 1, 2 oder 5 Euro!

Näheres hierzu unter http://www.betterplace.org/de/projects/14662-prozesskostenunterstutzung-fur-bulents-familie

Wir werden Sie weiterhin über die Entwicklung auf dem Laufenden halten, über den Petitionsblog unter www.openpetition.de/petition/blog/buelent-soll-mit-seinen-freunden-auf-die-grundschule-in-seiner-nachbarschaft-gehen-duerfen ebenso wie auf der Webseite der Initiative unter www.kurzebeinekurzewege.de

Bülent soll mit seinen Freunden auf die Grundschule in seiner Nachbarschaft gehen dürfen

Share

aktualisiert 4.9.2013, 18:10

Für alle derzeit im Bundestag vertretenen Parteien  ist klar:

„Alle Kinder sollen ungeachtet ihres kulturellen Hintergrundes gemeinsam unterrichtet werden.“

Im Wahl-o-mat zur Bundestagswahl beziehen die demokratischen Parteien klar Stellung: „Das Miteinander ist Voraussetzung einer offenen und toleranten Gesellschaft” (FDP) und „Gemeinsamer Unterricht ist ein wichtiges Element unserer Integrationspolitik. Kinder sollen ungeachtet ihrer Herkunft gefördert werden” (CDU). Die Grünen betonen: „Wir wollen keine Sonderung der SchülerInnen nach Sozialstatus, Herkunft der Eltern, Religion oder anderen Merkmalen.“

In NRW gilt all das nicht. Der Schulleiter der Paderborner Bonifatiusschule verweigert dem 6-jährigen Bülent (Name geändert) die Aufnahme, weil er nicht katholisch ist. Statt mit seiner Schwester 5 Minuten zur Schule zu gehen, muss er ab Donnerstag mit dem Bus quer durch die Stadt zur nächstgelegenen Gemeinschaftsgrundschule fahren. Die Fahrt dauert 50 Minuten – pro Weg.

Bülent soll auf die Grundschule seiner Schwester gehen dürfenDas Verwaltungsgericht Minden hat am 30.8.2013 in einem Eilentscheid festgestellt, dass es davon ausgeht, dass diese Ablehnung mit Recht und Gesetz in Nordrhein-Westfalen vereinbar ist. Diese Einschätzung wurde vom Oberverwaltungsgericht (OVG) Nordrhein-Westfalen am 4.9. bestätigt.

Wie das sein kann? Die Bonifatiusschule ist formal eine öffentliche Katholische Bekenntnisschule, die zwar vollständig staatlich finanziert ist, an der aber alle Lehrerinnen und Lehrer katholisch sein müssen. Eltern müssen seit kurzem an dieser Schule unterschreiben, dass sie mit Unterrichtung und Erziehung im katholischen Bekenntnis einverstanden sind und explizit auch mit der Teilnahme am katholischen Religionsunterricht – andernfalls werden die Kinder nicht aufgenommen. Und dazu ist der Vater von Bülent nicht bereit.

An der Schule sind lediglich 42% der Kinder katholisch, die Schule ist schon lange nur noch dem Namen nach katholisch. Bislang war es möglich, sich per Standardformular vom Religionsunterricht abzumelden.

Der Fall erinnert an die Kündigung einer Kindergartenleiterin durch die katholische Kirche in Königswinter. Auch das war offenbar mit dem deutschen Recht vereinbar. Aber dort entschied der Stadtrat kurzerhand, der katholischen Kirche die Trägerschaft zu entziehen.

Helfen Sie mit, dass Bülent mit seiner Schwester und seinen Kindergartenfreunden die Bonifatiusschule besuchen kann! Sagen Sie dem Schulleiter der Bonifatiusschule, der Stadt Paderborn und der Bezirksregierung mit ihrer Unterschrift Ihre Meinung: Schließlich sagt das Gericht zwar, dass die Schule Bülent die Aufnahme verweigern darf. Aber nicht, dass sie das tun muss.

Zur Petition:

https://www.openpetition.de/petition/online/buelent-soll-mit-seinen-freunden-auf-die-grundschule-in-seiner-nachbarschaft-gehen-duerfen

Hintergrundinformationen:

Endlich juristischer Rückenwind: Viele Bekenntnisgrundschulen sind eigentlich Gemeinschaftsschulen

Share

(zuletzt aktualisiert am 1.9.2013)

Wir kennen das von der Bundesebene: Wenn die Politik es nicht schafft, Lösungen für drängende gesellschaftliche Fragen zu finden, müssen diese Fragen vor Gericht geklärt werden. So auch im Fall der öffentlichen Bekenntnisschulen in Nordrhein-Westfalen. Seit Jahren konstatieren zahlreiche Politiker/innen und sogar einzelne Kirchenvertreter, dass es durch die geltenden Regelungen rund um Bekenntnisgrundschulen in NRW zu gravierenden Ungerechtigkeiten kommt. An den gesetzlichen Regelungen hat sich seither jedoch nichts verändert. Der Gesetzgeber blieb untätig. Weiterlesen

GEW spricht Klartext: Bekenntnisschulen widersprechen der Inklusion

Share

In der Mai-Ausgabe der Zeitschrift der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) Nordrhein-Westfalens findet die Vorsitzende der Fachgruppe Grundschule, Rixa Borns, klare Worte:

„[…] Wenn jetzt das Schulgesetz im Sinne der Inklusion geändert wird, dann sollten auch die verschiedenen Bekenntnisschularten infrage gestellt werden. Weiterlesen

Kleine Anfragen der Piratenpartei zu Bekenntnisschulen in NRW

Share

Die Piratenpartei in NRW hat seit ihrem Einzug in den nordrhein-westfälischen Landtag 2012 zahlreiche Kleine Anfragen zum Thema Öffentliche Bekenntnisgrundschulen an die Landesregierung gestellt. Hier finden Sie eine Übersicht dieser Anfragen, die dazu beitragen, die Widersprüche rund um das nordrhein-westfälische Spezialkonstrukt aufzudecken. Weiterlesen

Landtag NRW berät über Schulrechtsänderung zur Inklusion

Share

Die Initiative „Kurze Beine – kurze Wege“ bezieht Stellung zum 9. Schulrechtsänderungsgesetz zur Umsetzung der Inklusion

9. SchrÄG

Stellungnahme zum 9. Schulrechtsänderungsgesetz
(zum Herunterladen aufs Bild klicken)

Am 5. und 6. Juni 2013 findet im nordrhein-westfälischen Landtag eine parlamentarische Anhörung zum 9. Schulrechtsänderungsgesetz statt. Mit dieser Schulrechtsänderung sollen die gesetzlichen Grundlagen geschaffen werden, um Kinder und Jugendliche mit Behinderungen in das allgemeine Bildungssystem einzubeziehen. Damit setzt das Bundesland die Vorgaben der Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen zur schulischen Bildung um.

Der bisherige Gesetzentwurf ändert aber nichts an der Situation, dass Kinder und Lehrkräfte aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit oder Bekenntnislosigkeit Nachteile und Einschränkungen an öffentlichen Bekenntnisgrundschulen in Kauf nehmen müssen.

Es widerspricht dem Inklusionsgedanken, wenn an öffentlichen Schulen das gemeinsame Lernen an Konfessionsgrenzen Halt macht. Insbesondere seit Aufhebung der verbindlichen Schulbezirke und der damit verbundenen Schärfung des Profils öffentlicher konfessioneller Grundschulen sind in diesem Zusammenhang viele Probleme offen zutage getreten.

Wir meinen: Es muss gewährleistet sein, dass Familien ihre Kinder gemeinsam mit anderen Kindern aus der unmittelbaren Nachbarschaft in die gleiche Grundschule schicken können. Das Recht der gemeinsamen Beschulung behinderter und nicht behinderter Schülerinnen und Schüler muss unabhängig von ihrer Religion und Konfession gewährleistet werden. Inklusion bleibt halbherzig und damit unvollständig, wenn sie nicht auch konfessionelle und religiöse Grenzen überwindet.

Ferner muss sichergestellt werden, dass Glaube und Religionszugehörigkeit von Lehrkräften keinen Einfluss auf deren Anstellungschancen und die Wahrnehmung von Leitungspositionen haben.

Lesen Sie unsere vollständige und detaillierte Stellungnahme zum Gesetzentwurf (pdf, 28.5.2013).

s. auch: Eine Schule für alle – Der Inklusionsgedanke und die staatliche Bekenntnisschule in NRW