Herzlichen Glückwunsch an die Eltern und das Kollegium der Michael-Schule in Arnsberg! Ab kommendem Schuljahr ist die bislang katholische Grundschule eine Gemeinschaftsgrundschule, die allen Kindern und Lehrkräften gleichermaßen offen steht. Die Abstimmung erfolgte per Briefwahl, ein satte Mehrheit von 61% der Eltern stimmte für die Umwandlung, weniger als 14% sprachen sich gegen die Umwandlung aus. In einem ersten Umwandlungsversuch 2019 war noch nicht die erforderliche Mehrheit erreicht worden. Vermutlich half es, dass die Position der Schulleitung aus Konfessionsgründen zuletzt nur noch kommissarisch besetzt werden konnte.
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Ein weiterer Schritt in Richtung Gerechtigkeit
Mit überwältigender Mehrheit haben die Eltern der St.-Katharina-Grundschule in Heinsberg der Umwandlung in eine Gemeinschaftsgrundschule zugestimmt. Damit kann die bisherige kommissarische Schulleiterin auch offiziell die Schulleitung übernehmen. Bisher ging das nicht, weil sie evangelisch ist. An katholischen Grundschulen müssen trotz städtischer Trägerschaft und komplett staatlicher Finanzierung die Schulleitungen dem katholischen Bekenntnis angehöhren. Infolge der Umwandlung sind zukünftig alle Grundschulen in Heinsberg Gemeinschaftsgrundschulen.
„Die Kinder sind sowieso gemischt und durch eine Umwandlung ändert sich so gut wie nichts.“
Katrin Hanses-Borowski, Vorsitzende der Schulpflegschaft
Quellen:
- lokalplus.nrw, 30.4.2021, St.-Katharina-Grundschule wird zur Gemeinschaftsgrundschule
- lokalplus.nrw, 27.1.2021, Heinsberger Grundschule möchte Gemeinschaftsgrundschule werden
Petition an den Landtag NRW
Berichterstattung über die Petition
- Publik Forum, 30.4.2021, Grundschule für alle
- Domradio, 23.4.2021, Kritik an Petition zur Umwandlung von Bekenntnisschulen. „Wir leben in einer pluralen Gesellschaft“
- Domradio, 19.4.2021, Petition gegen Bekenntnisschulen in Nordrhein-Westfalen
- Migazin, 16.4.2021, NRW trennt Grundschulkinder nach Religionszugehörigkeit
- Siegener Zeitung, 14.4.2021, Umwandlung zu Gemeinschaftsschulen kompliziert
- General-Anzeiger Bonn, 6.4.2021, Initiative in Bonn will Bekenntnisschule abschaffen
- Bocholter Borkener Volksblatt, 30.3.2021, Bocholter Eltern fordern, Bekenntnisschulen abzuschaffen
Zeitungsartikel zum Thema aus jüngerer Zeit
Zahlreiche Zeitungsartikel aus ganz NRW und dem Oldenburger Land in Niedersachsen über Diskriminierung an staatlichen Bekenntnisschulen machen deutlich, dass es sich nicht um Einzelfälle handelt, sondern um ein strukturelles Problem, das politisch gelöst werden muss.
- Bornheim: Mertener Grundschule ist bald nicht mehr katholisch, General-Anzeiger Bonn, 26.02.2021
- Lohne, Niedersachsen (6 von 6 Grundschulen katholisch), Bekenntnisschulen: Abstimmung erfolgt nach den Osterferien, OM-Online.de, 20.2.2021
- Geldern, Elternbrief zur Umwandlung der St. Martini-Grundschule, Februar 2021
- Heinsberg: Heinsberger Grundschule möchte Gemeinschaftsgrundschule werden, Lokalplus NRW, 27. Januar 2021
- Bocholt, Bocholter Grundschulen lehnen nicht-katholische Kinder ab, Bocholter-Borkener Volksblatt, 26. Januar 2021
- Olpe (3 von 4 Grundschulen katholisch): Sechs Familien aus dem Stadtgebiet Olpe beklagen Ablehnung an Grundschulen, lokalplus.nrw, 16.4.2020
- Telgte, Aufruf zur Abstimmung zur möglichen Umwandlung der katholischen Bekenntnisschulen in Telgte in Gemeinschaftsschulen, Pressemitteilung der Stadt Telgte, 14.4.2020
- Telgte: Umwandlung von Bekenntnisschulen in Gemeinschaftsschulen. Kampf gegen „unerträglichen“ Zustand, Westfälische Nachrichten, 15.1.2020
- Leverkusen: Städtisch finanzierte Grundschulen. Warum katholische Kinder bevorzugt werden, Leverkusener Anzeiger, 9.1.2020
- Wipperfürth: KGS St Nikolaus wird zu einer Gemeinschaftsgrundschule, Oberberg-Nachrichten.de, 18.5.2020
- Harsewinkel: Grundschule muss 15 Kinder ablehnen, Die-Glocke.de, 12.1.2020
- Gütersloh: Grundschulen im Kreis Gütersloh suchen händeringend nach Schulleitern, Neue Westfälische, 18.10.2019
- Borken, Ausnahmen vom Schulgesetz bei der Schulleiternachfolge: Lars Koschmieder wird Rektor der Josefschule, Borkener Zeitung, 21.6.2018
- Borken (6 von 7 Grundschulen katholisch): Protestant darf Josefschule nicht leiten. Katholische Grundschule bleibt vorerst ohne Rektor, Borkener Zeitung, 9.5.2018
- Bildungspolitik in NRW. Eltern lehnen sich gegen Bekenntnisschule auf, Deutschlandfunk, 9.5.2017
Trotz Ausnahmen: Keine Schulgesetzänderung geplant
„Die Landesregierung plant keine Gesetzesinitiative zur Änderung der verfassungsrechtlichen und der schulgesetzlichen Regelungen zu den Bekenntnisschulen.“
So lautet die Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage der Landtagsabgeordneten Sigrid Beer. Wenig überraschend und trotzdem schade.
Hintergrund der Frage von Beer war die Besetzung einer Schulleiterstelle an einer Katholischen Grundschule durch eine evangelische Bewerberin. Eine solche Ausnahme von der Bekenntnisbindung ist im Schulgesetz ausdrücklich nicht vorgesehen.
Mit dieser Antwort verschließt die Landesregierung die Augen vor der gesellschaftlichen Realität: Kurz nachdem Beer die Kleine Anfrage gestellt hatte, wurde eine weitere Ausnahme durch die Bezirksregierung Münster durchgewunken. Weiterlesen
Kleine Anfrage der Grünen zu Schulleitungen an Bekenntnisschulen
Bonn, 22.6.2018
So erfreulich es ist, dass im Juni in kurzer Folge zwei evangelischen Lehrkräften im Regierungsbezirk Münster die Erlaubnis erteilt wurde, entgegen dem Schulgesetz Rektorin bzw. Rektor einer katholischen Grundschule zu werden, so wenig ist nachzuvollziehen, dass diese Ausnahmen nicht die allgemeine Regel sein sollen. Dazu hat die schulpolitische Sprecherin von Bündnis 90/Die Grünen im Landtag nun eine Kleine Anfrage gestellt: Schulleitungen an Bekenntnisgrundschulen: Besetzung mit zweierlei Maß?
Sigrid Beer weist darauf hin, dass in der Expertenanhörung zur letzten Schulgesetzänderung eine gesetzliche Ausnahmeregelung bei den Schulleitungen als verfassungsrechtlich bedenklich angesehen wurde. Zu Recht stellt sie die Frage, warum die Schulträgerinnen der beiden Schulen nicht die Initiative ergriffen haben, die Schulen in Gemeinschaftsgrundschulen umzuwandeln, an denen es keine Vorgaben für die Konfessionszugehörigkeit der Lehrerinnen und Lehrer gibt.
Am wichtigsten ist aber die Frage, die Beer zum Schluss stellt:
„Wie wird das Schulrecht jetzt verfassungsgemäß angepasst, um überall im Land die Besetzung von Schulleitungsstellen an Bekenntnisgrundschulen, staatliche Schulen in kommunaler Trägerschaft, unabhängig von der konfessionellen Bindung mit guten Schulleiterinnen und Schulleitern möglichst schnell besetzen zu können?“
Einzig darum muss es gehen. Und, auf die Gefahr hin, dass wir uns wiederholen: Die Zeit der staatlichen Bekenntnisschule ist lange vorbei. Alle demokratischen Akteure im Landtag von NRW sollten sich einen Schubs geben und dafür sorgen, dass dieses Überbleibsel in unserer Landesverfassung aus Zeiten der strengen konfessionellen Trennung endlich abgelöst wird durch eine zeitgemäße Regelung, die nicht mehr zur Diskriminierung nicht katholisch getaufter Lehrerinnen und Lehrer sowie Schülerinnen und Schüler führt.
Wenn die „absolute Ausnahme“ zur Regel wird und das Gesetz zur Farce
Gerade erst wurde in Gladbeck der Präzedenzfall geschaffen. Endlich durfte dort eine evangelische Lehrerin nach langem Hin und Her die Leitung einer katholischen Schule übernehmen. Und nun lässt die Bezirksregierung Münster in Borken gleich die nächste Ausnahme zu, genauer: es wurde ein „zwingender Ausnahmetatbestand“ festgestellt, um die Regelung des Schulgesetzes umgehen zu dürfen. Der evangelische Lehrer Lars Koschmieder war der einzige Bewerber auf die Rektorenstelle der katholischen Josefschule und freut sich, dass er die Aufgabe nun übernehmen darf.
Da bei einer solchen Lösung vermutlich alle Beteiligten zustimmen müssen, also von Träger (Kommune) über Schulaufsicht (Bezirksregierung und Schulministerium) bis hin zum Bistum, gilt das Schulgesetz nun offenbar regional unterschiedlich: Man darf davon ausgehen, dass im Erzbistum Köln weniger Bereitschaft besteht, konfessionsfremde Bewerberinnen und Bewerber als Schulleiter zuzulassen.
Etwas weiter gedacht, stellen diese Fälle das geltende Schulgesetz und die restriktiven Regelungen bzgl. Schulleitungen und Aufnahme von Schülerinnen und Schülern generell in Frage. Oder anders gesagt: Wann wird die Ausnahme zur Regel und das Schulgesetz zur Farce?
Quelle
- Borkener Zeitung, 21.6.2018, Lars Koschmieder wird Rektor der Josefschule
Wieder Zoff um Besetzung von Rektorenstelle
Kurze Beine – kurze Wege, 12.6.2018
Ob Borken oder Gladbeck, man ist sich einig bezüglich der Stellenbesetzungen an den jeweiligen staatlichen katholischen Grundschulen (beide übrigens benannt nach Josef, dem – so die Bibel – mehrfach übel mitgespielt wurde):
„Wichtiger als die konfessionelle Bindung muss doch die Versorgung unserer Schulen mit qualifizierten Rektorinnen oder Rektoren sein!“
(Gladbecks Bürgermeister Ulrich Roland)„Ein Schulgesetz, in dem eine solche Engstirnigkeit verankert ist, muss dringend geändert werden.“
(Markus Schönherr, Borkener Zeitung)
Die Geschichte ist schnell erzählt und sie kommt uns bekannt vor: Die Rektorin einer katholischen Grundschule geht in Rente. Glücklicherweise gibt es eine erfahrene Kollegin, die gewillt ist, die Schulleitungsposition zu übernehmen und das kommissarisch bereits seit einiger Zeit macht. Sie ist allseitig beliebt und anerkannt und hat sich in der Position bewährt. Als die Stelle ausgeschrieben wird, bewirbt sie sich auf die Stelle. Als sie aufgrund fehlender Eignung abgelehnt wird, weil sie nicht den richtigen Taufschein hat, fallen alle aus allen Wolken und beschweren sich über den Starrsinn der Kirche.
Die Beschwerde ist also nachvollziehbar, müsste sich aber zuallererst an den Verfassungsgeber richten: Solange die Bekenntnisschule durch die Landesverfassung gesichert ist und ein Drittel aller staatlichen Grundschulen in NRW konfessionell gebunden sind, kann selbst der Heilige St. Josef nicht dafür sorgen, dass Vernunft einkehrt und die Stellen pragmatisch besetzt werden. Es liegt in den Händen des Landtags, die Verfassung zu ändern, ob mit Zustimmung der Kirchen oder ohne. In der Verfassung steht es so:
Artikel 12 Abs. 6 (3)
In Bekenntnisschulen werden Kinder des katholischen oder des evangelischen Glaubens oder einer anderen Religionsgemeinschaft nach den Grundsätzen des betreffenden Bekenntnisses unterrichtet und erzogen.
Das Schulgesetz präzisiert:
§26 (6) In Schulen aller Schularten soll bei der Lehrereinstellung auf die Konfession der Schülerinnen und Schüler Rücksicht genommen werden.
An Bekenntnisschulen müssen
1. die Schulleiterin oder der Schulleiter und
2. die übrigen Lehrerinnen und Lehrer dem betreffenden Bekenntnis angehören. Sie müssen bereit sein, im Sinne von Absatz 3 Satz 1 an diesen Schulen zu unterrichten und zu erziehen. Zur Sicherung des Unterrichts sind Ausnahmen von Satz 2 Nummer 2 zulässig.
Politisch ist eine solche Initiative des Landes äußerst unwahrscheinlich. Erst 2015 hat der Landtag das Schulgesetz geändert. Bis dahin mussten alle Lehrkräfte an Bekenntnisschulen ausnahmslos dem Bekenntnis angehören. Mehr hat sich die damalige rot-grüne Mehrheit nicht getraut. Es bestand die Sorge, dass der Gesetzentwurf andernfalls vor Gericht nicht Bestand haben würde.
Es gibt aber noch einen anderen Weg, um endlich zu zeitgemäßen Regelungen zu kommen: Die betroffene Lehrerin könnte klagen. Es wäre ein langer Weg durch alle Instanzen bis hin zum Bundesverfassungsgericht. Der Jurist Sebastian Hartmann kam in einer Rechtseinschätzung bereits 2015 ganz ohne Rückgriff auf europäische Normen zu dem klaren Schluss, dass das Schulgesetz in NRW gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) und damit gegen das Grundgesetz verstößt:
„Durch die geforderte Bekenntniszugehörigkeit von Lehrkräften und Schulleitung verstößt § 26 Abs. 6 SchulG NRW sowohl in seiner bisherigen als auch in seiner neuen Fassung gegen höherrangiges Bundesrecht in Form von § 1 AGG. Der Staat als solcher kann, obwohl er Bekenntnisschulen betreiben darf, sich nicht auf die Ausnahmeregelungen des AGG berufen, die in der derzeitigen Ausgestaltung zweifelsfrei nur für Religionsgemeinschaften gelten. Um diesen Missstand aufzulösen, müsste das Schulgesetz dahingehend geändert werden, dass es AGG-konform keine Einstellungsvoraussetzungen an das Bekenntnis knüpft.“
Die Chancen stehen gut, dass ein entsprechendes Urteil des Bundesverfassungsgerichts das Land NRW dazu zwingen würde, endlich zeitgemäße Reformen auf den Weg zu bringen, damit es an staatlichen Grundschulen keine Diskriminierung mehr aufgrund des Taufscheins von Lehrkräften oder Schülern gibt.
Nachtrag:
In einem Interview mit dem Bonner General-Anzeiger (16.4.2018) wurde NRW-Bildungsministerin zu einem anderen Aspekt der Diskriminierung durch Bekenntnisschulen befragt:
Finden Sie es noch zeitgemäß, dass katholische und evangelische Schulen andersgläubige Kinder ablehnen dürfen?
Gebauer: Ich verfolge diese Debatte schon länger. In Bonn ist das ein Problem. Aus den anderen Landstrichen ist mir das in den vergangen Jahren nicht so stark widergespiegelt worden.
Bei einer Podiusmdiskussion in Bonn in 2012 sagte Gebauer noch einen Satz, der hoffen lässt, dass sie die Probleme nicht ignoriert:
„Wir müssen Probleme erkennen, diese Probleme gibt es und dieser Abend zeigt, dass Probleme angegangen werden.“
Liebe Frau Gebauer, bitte schreiten Sie zur Tat und tun Sie, was in Ihrer Macht steht, um die notwendigen Veränderungen auf den Weg zu bringen.
Quellen:
- WAZ.de, 6.6.2018, Bewerbung als Rektorin abgelehnt, weil Lehrerin nicht katholisch ist
- WAZ.de, 6.6.2018, Josefschule ohne Leitung – Rektorin muss katholisch sein
- lokalkompass.de, 7.6.2018, „Josefschule“ in Gladbeck-Rentfort seit 2017 ohne Leitung: „Falsche“ Konfession der Bewerberin sorgt für Verdruss
- general-anzeiger-bonn.de, 6.4.2018, Schulministerin Gebauer möchte keine Lehrerschwemme produzieren
- Bocholter/Borkener Volksblatt, 14.5.2018, Protestant darf katholische Schule nicht leiten. Bewerbung eines kommissarischen Leiters in Borken scheitert an Konfession
„Ein Schulgesetz, in dem eine solche Engstirnigkeit verankert ist, muss dringend geändert werden.“
Kurzmitteilung
Fällt Ihnen auf dieser Übersicht von Grundschulen auf der Webseite der Stadt Borken etwas auf?
Uns auch nicht. Tatsächlich muss man einiges an Recherche betreiben, um festzustellen, dass 6 der 7 Grundschulen in Borken katholische Grundschulen sind. Selbst aus den Webseiten der Grundschulen geht oft nicht hervor, dass sie bekenntnisgebunden sind. Tatsache ist: Nur eine einzige Grundschule steht als Montessorischule Lehrern und Schülern unabhängig vom Taufschein offen. An allen anderen Schulen gilt bei der Aufnahme von Kindern ebenso wie bei der Einstellung von Lehrkräften: Katholiken zuerst. In der Praxis betreiben die meisten der Schulen im Alltag eine weltoffene Ökumene und arbeiten mit der örtlichen evangelischen und katholischen Kirchengemeinde zusammen. Eine Schulleiterin betont ausdrücklich, wichtiger als das „Etikett“ Bekenntnisschule sei, dass Werte wie Toleranz und Achtsamkeit im Schulalltag gelebt würden.
Von einer Benachteiligung nichtkatholischer Schülerinnen und Schüler ist uns nichts bekannt. Evangelische oder ungetaufte Lehrkräfte haben in Borken allerdings ganz offensichtlich schlechte Karten, obwohl an mehreren der Bekenntnisschulen der Rektoren- oder Konrektorenposten vakant ist. Weiterlesen
Macht Europa Schluss mit der Diskriminierung von Lehrkräften aufgrund ihrer Weltanschauung?
Gerade erst hat das höchste deutsche Gericht eine Verfassungsbeschwerde gegen verpflichtenden Religionsunterricht an Bekenntnisschulen in staatlicher Trägerschaft abgewiesen. Damit gibt das Verfassungsgericht grünes Licht, dass weiterhin Grundschulkinder aufgrund ihres Bekenntnisses längere Schulwege in Kauf nehmen müssen. Genauso betroffen sind Lehrkräfte. Diese Schulen stehen in ihrer Ausformung in NRW zunächst nur Lehrkräften des jeweiligen Bekenntnisses offen. So steht es im Schulgesetz (§26, 6): Weiterlesen
„Wie soll ich denn so etwas rechtfertigen? Das ist ein Unding!“
(ursprünglich veröffentlicht 11.6., aktualisiert am 17.6.2016)
Kaum glauben will es die Leiterin einer katholischen Grundschule in Coesfeld, dass sie eine hervorragend qualifizierte evangelische Kollegin an ihrer Schule nicht einstellen darf, solange es Bewerbungen katholischer Lehrkräfte gibt.
Erfreulich, dass die Schulleiterin es nicht bei stillem Unglauben angesichts der klaren Gesetzeslage belässt, sondern sich auf ihren Glauben beruft, wenn sie sich für eine Umwandlung der Schule einsetzt: „Bei der Umwandlung in eine Gemeinschaftsschule geht es vor allem darum, den christlichen Wert der Gleichbehandlung aller Schüler und Lehrer auch gesetzlich umsetzen zu dürfen“.
Auch der (katholische) Elternpflegschaftsvorsitzende setzt sich für eine Umwandlung ein. Er betont, dass sich dadurch an der Schule nichts ändern soll: Kinder bekämen weiterhin Religionsunterricht, die Erziehung habe nach christlichen Werten weiterhin Bestand, und auch der Name Kardinal-von-Galen-Schule bleibe erhalten.
Quelle:
Allgemeine Zeitung (azonline.de), 31.5.2016, Grundschule stellt die Glaubensfrage
Update 17.6.2016:
Nun melden sich in der Allgemeinen Zeitung auch Gegner einer Umwandlung zu Wort (Allgemeine Zeitung (azonline.de), 14.6.2016, Kritik an Schulumwandlung):
Eine Gruppe aus Eltern und Vertretern der Kirche in Lette beklagt sich, der Schulfriede werde duch das Umwandlungsbegehren gestört. Sie fordern eine offenere Diskussion, trauen sich aber nicht, ihren Namen zu nennen. Das ist schade, selbstverständlich sollte es eine offene Diskussion geben, in der sich niemand verstecken muss. Obwohl – dieser Seitenhieb sei gestattet – die Argumente dann schon mehr Gehalt haben sollten, insbesondere angesichts dessen, dass in Coesfeld sechs der sieben Grundschulen Bekenntnisschulen sind.
Als ein Argument dafür, dass keine „Keine Notwendigkeit“ zur Umwandlung bestehe, wird von der anonymen Gruppe angeführt:
Ein Miteinander ist an der Schule längst Alltag. Es gab schon immer auch andersgläubige Schüler. Kinder verschiedener Länder und Glaubens lernen gemeinsam.
Das ist schön und wünschenswert. Es widerspricht aber, das hat ders OVG-Beschluss klargestellt, der Landesverfassung. Katholische Schulen sind grundsätzlich Schulen für katholische Schüler und Lehrer. In Art. 12 Absatz 6 der Landesverfassung heißt es unmissverständlich:
In Bekenntnisschulen werden Kinder des katholischen oder des evangelischen Glaubens oder einer anderen Religionsgemeinschaft nach den Grundsätzen des betreffenden Bekenntnisses unterrichtet und erzogen.
Das OVG führt hierzu weiter aus:
1. Prägende Merkmale des landesverfassungsrechtlichen Begriffs der Bekenntnisschule in Art. 12 Abs. 3 Satz 2 LV NRW sind hiernach sowohl der bekenntnisgebundene Charakter der Schulerziehung (materielle Homogenität) als auch die weitgehend einheitliche formelle Zugehörigkeit der Lehrer- und Schülerschaft zur jeweiligen Religionsgemeinschaft (formelle Homogenität). Zur formellen Homogenität gehört, dass formell der Religionsgemeinschaft angehörende Kinder ihre Schulaufnahme vorrangig vor bekenntnisfremden Kindern beanspruchen können. Jenen gewährt Art. 12 Abs. 3 Satz 2 LV NRW einen im Grundsatz vorbehaltlosen Zugang zu Schulen ihres Bekenntnisses, während Art. 13 LV NRW bekenntnisfremden Kindern einen Anspruch auf Zugang zu einer Bekenntnisschule nur ausnahmsweise dann einräumt, wenn sie in zumutbarer Entfernung weder eine Schule des eigenen Bekenntnisses noch eine Gemeinschaftsschule erreichen können.
…
Diesen Vorrang bekenntnisangehöriger Kinder hat das beschließende Gericht bei der Wortlautauslegung des Art. 12 Abs. 3 Satz 2 LV NRW aus der Formulierung „Kinder des katholischen oder des evangelischen Glaubens oder einer anderen Religionsgemeinschaft“ abgeleitet. Es fällt nämlich auf, dass die ansonsten entsprechend formulierten Begriffsdefinitionen für die Gemeinschaftsschulen in Satz 1 und für die Weltanschauungsschulen in Satz 3 diese Schularten ganz allgemein für „Kinder“ öffnen, ohne diese durch Genitivattribute näher einzugrenzen. Die Eingrenzungen in Satz 2 rechtfertigen den Schluss, dass es dem Verfassungsgeber gerade auf die Bekenntnisangehörigkeit der Kinder in Bekenntnisschulen ankam. Anderenfalls hätte eine den Sätzen 1 und 3 entsprechende offene Formulierung auch des Satzes 2 nahegelegen, etwa „In Bekenntnisschulen werden Kinder nach den Grundsätzen des betreffenden Bekenntnisses unterrichtet und erzogen.“
Tatsächlich ist das oben angeführte Argument, dass an der Schule bereits jetzt Kinder verschiedenen Glaubens gemeinsam lernen, also ein Argument für eine Umwandlung der Schule, die auch formal allen Kindern offen steht.