Philosophieren mit Kindern an Grundschulen in NRW

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Bonn, 3.12.2017

An Nikolaus, dem 6.12., debattiert der Schulausschuss des NRW-Landtags über Ethikunterricht an Grundschulen. Das Thema steht im Koalitionsvertrag der Landesregierung. In diesem Fall hat die Fraktion der Grünen einen Antrag eingebracht mit dem Titel „Philosophie verleiht Flügel!“. Sie fordern darin, die flächendeckende Einführung eines solchen Unterrichtsangebots vorzubereiten.

Der Hintergrund ist unstrittig und schnell beschrieben: Die Säkularisierung schreitet voran und gleichzeitig nimmt die religiöse Vielfalt zu. Immer weniger Kinder gehören dementsprechend einer Glaubensgemeinschaft an, für die Religionsunterricht erteilt wird. An vielen Grundschulen bilden die Kinder, für die es kein Alternativangebot gibt, bereits jetzt die größte Gruppe. Für sie entfällt der Unterricht in der Regel ersatzlos, statt dass sie ein – im mehrfachen Sinne – wertvolles Unterrichtsangebot bekommen.

Sämtliche schriftlich vorliegenden Stellungnahmen halten diesen Schritt für sinnvoll, auch die Kirchen. In keiner Stellungnahme wird allerdings darauf eingegangen, ob ein solcher Unterricht auch an den staatlichen Bekenntnisschulen des Landes eingeführt werden soll, die immerhin ein Drittel aller Grundschulen ausmachen. Bislang ist an diesen Schulen eine Abmeldung vom Religionsunterricht nicht möglich – das hat gerade noch einmal das Bundesverfassungsgericht in einem Beschluss bestätigt. In unseren Augen wäre es allerdings im wahrsten Sinn des Wortes scheinheilig, einen Ethik-Unterricht an Grundschulen einzuführen, ohne diesen Schritt auch an den Bekenntnisschulen zu gehen. Tatsächlich sind nämlich dort kaum weniger Kinder bekenntnislos als an Gemeinschaftsgrundschulen.

Hier unsere Stellungnahme zum Antrag. 

Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, nicht über Bekenntnisgrundschulen zu entscheiden

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Im September 2017 hat sich das Bundesverfassungsgericht mit öffentlichen Bekenntnisschulen in Nordrhein-Westfalen befasst. Genauer: Es hat entschieden, sich nicht damit zu befassen. Die 1. Kammer des 1. Senats (Kirchhof, Schluckebier, Ott) lehnte die Verfassungsbeschwerde eines Kindes (vertreten durch Prof. Dr. Hinnerk Wißmann, Professor für Religionsverfassungsrecht, Münster) als unzulässig ab. Weiterlesen

Schulleiterin setzt sich für Umwandlung von Bekenntnisschule ein

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Update 12.3.2018: Mit überwältigender Mehrheit (186 von 219 Abstimmungsberechtigten) haben sich die Schmallenberger Eltern im Februar 2018 für eine Umwandlung der Schule entschieden. (Quelle)


Ursprünglich veröffentlicht am 13. Okt 2017

Respekt. In Schmallenberg hat die Leiterin eines Schulverbands aus einer Katholischen Grundschule mit einer Gemeinschaftsgrundschule erkannt, welche Konsequenzen die Gerichtsentscheidung von April 2016 hat. Sie bat den Schulausschuss der Stadt, ein Umwandlungsverfahren für den katholischen Standort einzuleiten:

„Fontaine war anfangs selbst dafür, die Bekenntnisschule möglichst zu halten, mittlerweile scheint die Rechtslage aber eindeutig. Elternvertreter beider Standorte hatten sich im Mai bereits mehrheitlich für eine Umwandlung zur Gemeinschaftsgrundschule ausgesprochen.“

Der Rat folgte dem Anliegen, nun sollen die Eltern Anfang nächsten Jahres über die Umwandlung in eine Gemeinschaftsgrundschule abstimmen.

Quelle: Westfalenpost, 13.10.2017, Eltern sollen mitentscheiden über Zukunft der Grundschule

Religion und Ethik an Grundschulen in NRW

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Vor kurzem ging eine erstaunliche Nachricht durch die Presse. Ausgerechnet in dem Bundesland, dessen Verfassung immer noch eine Trennung katholischer und evangelischer Kinder an einem Drittel seiner öffentlichen Grundschulen vorsieht, setzen sich die Kirchen für einen „konfessionell-kooperativen“ Religionsunterricht ein. Das Schulministerium hat bereits die rechtlichen Rahmenbedingungen für einen solchen ökumenischen Religionsunterricht an Grundschulen und in der Sekundarstufe I geschaffen. Damit reagieren die Kirchen nach eigenen Angaben darauf, dass immer weniger Schulkinder einer der beiden christlichen Konfessionen angehören, sie aber dennoch gemeinsam den Religionsunterricht besuchen. Entsprechend soll der Religionsunterricht offener gestaltet werden. Ob auch Bekenntnisgrundschulen einen solchen gemeinsamen Religionsunterricht anbieten können, ist nicht klar. Im Erzbistum Köln können Schulen diesen Weg ohnehin noch nicht beschreiten, hier will man zunächst abwarten, wie der „Versuch“ in den anderen Landesteilen läuft. Weiterlesen

Soll der Taufschein Nachbarskinder entzweien?

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„Es ist ein beschämendes Trauerspiel.“

Bonn, 8.2.2017

Acht Jahre ist es her, dass sich der Bonner Stadtrat mit den Aufnahmekriterien der städtischen Grundschulen beschäftigen musste. Allgemein herrschte großes Unverständnis darüber, dass Kinder nicht gemeinsam mit ihren Kindergartenfreunden und Nachbarskindern in die gleiche Grundschule gehen durften, weil sie die falsche Religion hatten oder ungetauft waren. Aus diesem Grund entstand 2009 die Initiative „Kurze Beine – kurze Wege“, um sich gegen diese Form der religiös begründeten Diskriminierung durch staatliche Einrichtungen einzusetzen. Bundesweit wurde damals über die offensichtliche Benachteiligung Un- und Andersgläubiger berichtet, unter anderem in Spiegel Online, Monitor und der Welt. Weiterlesen

Grundschule und Grundgesetz

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Kurze Beine – kurze Wege, 31.8.2015 [update 1.9.2015]

[Beide Schulen haben binnen weniger Stunden auf unsere Hinweise reagiert und die problematischen Passagen auf ihren Internetseiten überarbeitet. Schade, dass es dazu des Einsatzes einer unabhängigen Initiative bedarf. Keine der beiden Schulen hat übrigens bislang auf unsere Schreiben geantwortet.]

Die Webseite der katholischen Grundschule Zehnthofstraße in Köln-Ostheim kommt eigentlich ganz sympathisch rüber. Leider sind die Inhalte nicht immer grundgesetzkonform. Auf einer Seite wird erläutert, was genau es mit dem katholischen Profil auf sich hat. Dort heißt es unter anderem: Dort hieß es bis zum frühen Nachmittag des 1.9.2015:

  • Alle Kinder nehmen am katholischen Religionsunterricht teil.
  • Alle Kinder besuchen regelmäßig den Schulgottesdienst.
  • Eine Abmeldung vom Religionsunterricht oder eine Befreiung vom Gottesdienstbesuch ist nicht möglich.

Der Punkt mit der Abmeldung vom Religionsunterricht ist umstritten. Zwar besagt Grundgesetz Artikel 7 Abs.2 ebenso wie SchulG NRW § 31 Abs. 6: „Alle Eltern, egal welcher Religion oder Weltanschauung sie angehören, haben die Möglichkeit, ohne Angabe von Gründen ihre Kinder von der Teilnahme am Religionsunterricht freizustellen.“ Dennoch sollten Eltern diesen Wunsch an einer Bekenntnisschule nicht schon bei der Anmeldung äußern, da sie sonst riskieren, dass ihr Kind unter Verweis auf die nächstgelegene Gemeinschaftsgrundschule der Schule verwiesen wird. Nach Ansicht des Staatsrechtlers Prof. Dr. Hinnerk Wißmann allerdings ist „die Bekenntnisschule als staatliche Veranstaltung unmittelbar an alle Grundrechte gebunden“. Verwaltungsgerichte haben hierzu bislang keine klare Entscheidung getroffen.

Anders verhält sich die Sache bezüglich der Teilnahme am Gottesdienst. In Grundgesetzartikel 140 (WRV 136.4) heißt es ausdrücklich: „Niemand darf zu einer kirchlichen Handlung oder Feierlichkeit oder zur Teilnahme an religiösen Übungen oder zur Benutzung einer religiösen Eidesform gezwungen werden.“ Eine Antwort des Schulministeriums bestätigt diesen Sachverhalt unmissverständlich: „Schulgottesdienste sind grundsätzlich als Schulveranstaltungen anzusehen und als solche Teil des Schullebens. Die Teilnahme an kirchlichen Handlungen ist jedoch freiwillig und bei nicht religionsmündigen Kindern vom Einvernehmen der Eltern abhängig. Dies gilt unabhängig von der Schulart.“ Das wurde im Zuge der Beratungen über das neue Schulgesetz ausdrücklich auch von Seiten der katholischen Kirche bestätigt, so durch Ferdinand Claasen (katholisches Büro NRW) im Rahmen einer Expertenanhörung im Landtag: „Es gibt keine Schule, in der die Seelen von Kindern mit Füßen getreten werden dürfen. Insofern gibt es selbstverständlich an keiner Schule im Lande Nordrhein-Westfalen einen Zwang zum Schulgottesdienst.“

Wir haben der Schule heute einen entsprechenden Hinweis gegeben und sind gespannt, wie lange es dauert, bis die Formulierung überarbeitet wird. [Update 1.9.2015: Die Schule hat schnell auf das Schreiben reagiert und den Text überarbeitet. Daraus geht hervor, dass an der Schule durchaus auch andere als katholische Werte Anerkennung finden: Im Umgang mit Konflikten oder im Umgang miteinander sind die (nicht ausschließlich) christlichen Wertevorstellungen die Grundlage der Erziehung. Danke!]

Ähnlich fragwürdig ist der Umgang einer Würseler katholischen Grundschule mit den gesetzlichen Vorgaben (wir wiesen bereits darauf hin).  Sie veröffentlicht ebenfalls auf ihrer Webseite eine Liste mit Aufnahmekriterien. Und macht deutlich, dass sie muslimische und vor allem bekenntnislose Kinder erst ganz zum Schluss berücksichtigt. Für die Liste gibt es keine rechtlich nachvollziehbare Begründung. Nach Verfassung und Schulgesetz könnte man bestenfalls nach katholischen und nichtkatholischen Kindern differenzieren. In diesem Sinne entschied zuletzt das Verwaltungsgericht Köln, wogegen das Land nach unseren Informationen aber Widerspruch einlegte. Tatsächlich legen Verordnungen des Landes nahe, dass Kinder von Eltern, die ausdrücklich eine Erziehung und Unterrichtung im Schulbekenntnis wünschen, nicht schlechter gestellt werden dürfen als Kinder, die im Bekenntnis getauft sind.

In jedem Fall ist die Liste der Würseler Schule nicht haltbar. Auch hier hoffen wir, dass die Schule zügig auf unsere Bitte reagiert, die irreführende Liste zu entfernen. [Update: Tatsächlich ist die Liste bereits am Mittag des 1. September nicht mehr dort zu finden].

Leser, die sich mit den Besonderheiten der staatlichen Bekenntnisschule Nordrhein-Westfalens nicht auskennen, werden gebeten, sich hier näher über diese Sonderform zu informieren. 

Die rechtlichen Grundlagen sind ausführlich hier beschrieben.

Außerdem interessant: Gerichtsurteile und -beschlüsse.

Evangelischer Religionsunterricht an katholischen Grundschulen?

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Kurze Beine – kurze Wege, 21. August 2015

An Schulen in kirchlicher Trägerschaft ist es schon lange gang und gäbe, seit diesem Schuljahr gibt es diese Möglichkeit auch an öffentlichen Bekenntnisschulen: katholische Kinder erhalten katholischen Religionsunterricht an evangelischen Schulen, evangelischen Schülerinnen und Schülern kann entsprechend evangelischer Religionsunterricht an katholischen Bekenntnisschulen erteilt werden. Wir gehen davon aus, dass – rein rechtlich – entsprechend auch islamischer Religionsunterricht an evangelischen wie katholischen Grundschulen eingerichtet werden kann.

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Schon gewusst? Fakten zu öffentlichen Bekenntnisschulen

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Die erste Version dieses Artikels stammt von Oktober 2012. Wir haben farblich markiert, welche Änderungen sich durch die Neufassung des Schulgesetzes 2015 ergeben.

Wussten Sie schon,

  • dass es in Nordrhein-Westfalen und Teilen Niedersachsens öffentliche Bekenntnisschulen gibt, die zu 100% von allen Steuerzahlern bezahlt werden?
  • dass in NRW ein Drittel aller Grundschulen öffentliche Bekenntnisgrundschulen sind?
  • dass die Trennung von Kindern nach Konfession und Religion an öffentlichen Schulen in allen anderen Bundesländern Ende der 60er Jahre des letzten Jahrhunderts abgeschafft wurde, in NRW dagegen 2009 durch die Abschaffung der Schuleinzugsbezirke sogar gestärkt wurde? Aufgenommen werden zunächst alle im Schulbekenntnis getauften Kinder. Erst wenn dann noch Plätze frei sind, können auch andere Kinder aufgenommen werdenWeiterlesen

Bekenntnisschulreform in NRW: Besser ist nicht gut

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Bonn, 18.3.2015 (ergänzt am 20.3.2015)

Ein Artikel zur heutigen Gesetzesänderung zu Bekenntnisschulen in der Westdeutschen Zeitung bringt es auf den Punkt:

Ein unbefangener Beobachter hätte schließen können, dass beim verhandelten Thema Bekenntnisschule alles Bisherige auf den Kopf gestellt wurde. Indes: Mit der rot-grünen Mehrheit wurden lediglich Stellschrauben verändert.
wz-newsline.de, Peter Kurz, 18.3.2015, Gesetz verabschiedet: Die Bekenntnisschule bleibt, aber . . .

Dennoch: Dass nunmehr Bekenntnisschulen mit 50% + 1 Stimme umgewandelt werden können und dass Lehrkräfte auch mit dem falschen Bekenntnis oder gar ohne Taufschein an Bekenntnisschulen angestellt werden können, ist eindeutig eine Verbesserung. Auch in anderen Punkten deutet sich ein Paradigmenwechsel an: Es wird nicht mehr festgehalten am Scheinbild der homogenen Bekenntnisschule, die es schon lange nicht mehr gibt. Zukünftig soll praktiziert werden, was schon immer im Gesetz stand, dass nämlich Religionsunterricht auch in anderen Religionen oder Bekenntnissen erteilt werden kann, wenn mindestens 12 Kinder dem entsprechenden Glauben angehören. Und es soll nicht mehr erlaubt sein, was schon immer absurd war, aber leider bislang gang und gäbe, dass nämlich Kinder gegen ihren eigenen oder den Willen ihrer Eltern an Schulgottesdiensten teilnehmen mussten. Ferdinand Claasen vom katholischen Büro NRW hat das im Landtag gut ausgedrückt:

„Es gibt keine Schule, in der die Seelen von Kindern mit Füßen getreten werden dürfen. Insofern gibt es selbstverständlich an keiner Schule im Lande Nordrhein-Westfalen einen Zwang zum Schulgottesdienst.“

Gerne zitieren wir hier noch einmal zusammenfassend den Verfassungsrechtler Pieroth, der in der Expertenanhörung am 4. Februar 2015 sagte:

„Wenn man bedenkt, dass selbst Bayern vor Jahrzehnten die öffentliche Bekenntnisschule abgeschafft hat, ist das hier ein sehr moderater Gesetzentwurf.“  

Dem ist nichts hinzuzufügen.

Berichterstattung und Stellungnahmen zum neuen Schulgesetz

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