Landtagswahl NRW 2017: Wahlprüfsteine staatliche Bekenntnisschulen

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Zuletzt aktualisiert: 3.5.2017

Die folgenden Fragen hat die Initiative „Kurze Beine – kurze Wege“ an die Vorsitzenden aller Parteien mit realistischen Chancen auf Einzug in den Landtag NRW verschickt (SPD, CDU, FDP, Grüne, Linke und AfD) verschickt. Die erhaltenen Antworten wurden auf dieser Seite in der Reihenfolge des Eingangs ummittelbar nach Erhalt veröffentlicht (nur die AFD hat nicht geantwortet).

Kurz-Zusammenfassung: Lediglich Die Grünen und die Linken sprechen sich klar für eine Umwandlung staatlicher Bekenntnisschulen in Gemeinschaftsgrundschulen aus. SPD und Grüne verweisen angesichts fehlender Mehrheiten für eine Verfassungsänderung darauf, dass sie das Schulgesetz in der zu Ende gehenden Legislaturperiode unter anderem zugunsten einer erleichterten Umwandlung geändert haben. 

Es lohnt sich übrigens, Kandidaten zum Thema zu befragen. Oft ist ihnen nicht bewusst, dass es in NRW noch Bekenntnisschulen in öffentlicher Trägerschaft gibt. Oder sie sprechen sich, wie in Bonn die Kandidaten von SPD, CDU und FDP, abweichend von ihrer Parteilinie klar gegen einen Fortbestand staatlicher Bekenntnisschulen aus.


Geantwortet haben: FDP, CDU, Die Linke, Grüne, SPD

  1. Hält Ihre Partei es für sinnvoll, dass Kinder an öffentlichen Grundschulen nach ihrer Religionszugehörigkeit getrennt werden?

FDP: Den Freien Demokraten ist es wichtig, dass für Eltern Wahlmöglichkeiten bestehen. Niemand darf zu einem religiös geprägten Schulangebot gezwungen werden. Gleichzeitig zählen zu einem vielfältigen Schulangebot auch Schulen mit unterschiedlichen Profilen. Dass für viele Eltern hierzu auch der Wunsch nach dem Besuch einer Bekenntnisschule zählt, zeigt die hohe Zahl der Anmeldungen, zu denen vielfach auch Kinder ohne Bekenntniszugehörigkeit oder mit einer anderen Bekenntniszugehörigkeit gehören.

CDU: Glauben gehört zu den menschlichen Wesenseigenschaften. Insofern fördert religiöse Erziehung in unseren Schulen die Entfaltung unserer Persönlichkeit. Bekenntnis-Unterricht in der Grundschule trägt zum Kennenlernen der eigenen Identität bei. Wenn es die personellen Möglichkeiten erlauben, ist daher nach Religionszugehörigkeit getrennter Unterricht sinnvoll und begrüßenswert.

DIE LINKE: Nein, eine solche Trennung lehnen wir ab. Wir wollen, dass alle Kinder gemeinsam lernen und nicht nach Herkunft, bestehenden Beeinträchtigungen oder ihrer Religionszugehörigkeit getrennt unterrichtet werden.

Grüne: Die Praxis einiger Grundschulen, Kinder konfessionell auszuschließen, muss überwunden werden. Segregation in der Gesellschaft darf nicht durch Konfessionen oder Religionszugehörigkeiten verstärkt werden. Daher wollen wir, dass die Bekenntnisgrundschulen in Gemeinschaftsgrundschulen umgewandelt werden.

SPD: Sofern sich Ihre Frage auf die Bekenntnisschulen bezieht, entspricht die in der Frage unterstellte Trennung nicht der Realität. Denn sie suggeriert, dass eine katholische Bekenntnisschule ausschließlich Kinder katholischen Glaubens aufnimmt. Dies spiegelt nicht die Realität in den Kommunen und in den Schulen wider. Kritisch ist zu bewerten, wenn überwiegend Kinder des entsprechenden Bekenntnisses aufgenommen werden. Die Struktur der Bekenntnisschulen ist jedoch historisch gewachsen und kann aufgrund des Verfassungsranges der Bekenntnisschulen nur einem großen politischen Konsens geändert werden. Im Rest der Antwort geht es um gemeinsamen Religionsunterricht

Sofern sich Ihre Frage auf den Religionsunterricht bezieht, gilt für uns: Die NRWSPD bekennt sich zur geltenden Regelung im Schulgesetz. Der Religionsunterricht ist ordentliches Lehrfach an allen Schulen mit Ausnahme der Weltanschauungsschulen (bekenntnisfreien Schulen). Er wird nach Bekenntnissen getrennt in Übereinstimmung mit den Lehren und Grundsätzen der betreffenden Kirche oder Religionsgemeinschaft erteilt, wenn er allgemein eingeführt ist und an der einzelnen Schule mindestens zwölf Schülerinnen und Schüler dem entsprechenden Bekenntnis angehören. Auch wenn Schülerinnen und Schüler dem jeweiligen Bekenntnis nicht angehören, ist eine Teilnahme am Religionsunterricht in Abstimmung mit der unterrichtenden Religionslehrkraft grundsätzlich möglich. Ebenso ist eine Befreiung vom Religionsunterricht möglich.
  1. Ist es für Ihre Partei vorstellbar, die staatliche Bekenntnisschule aus der Verfassung zu streichen?

FDP: Wir sehen hierfür gegenwärtig keine Notwendigkeit.

CDU: Religiosität gehört zum Wesen des Menschen. Ihre Förderung ist daher auch im Interesse des Staates. Die Bekenntnisschulen sollten daher nicht aus der Verfassung gestrichen werden.

DIE LINKE: Ja, DIE LINKE möchte, dass NRW den Sonderweg der staatlichen, in der Landesverfassung verankerten Bekenntnisschulen verlässt und diese in bekenntnisneutrale Schulen umwandelt. Wir wollen zudem die Garantie auf bekenntnisorientierten Unterricht aus der Landesverfassung streichen.

Grüne: Die Gemeinschaftsgrundschule gewährleistet das Prinzip „kurze Beine, kurze Wege“ sowie Pluralität im Hinblick auf Religionsgemeinschaften und Weltanschauungen. Auch die sogenannte negative Religionsfreiheit muss gewährleistet werden. (…) Nur in NRW und Niedersachsen sind die Bekenntnisgrundschulen noch in der Verfassung verankert. Wir GRÜNE in NRW wollen Mehrheiten für eine Verfassungsänderung suchen. Die Aussichten dafür sind allerdings realistischer Weise nicht hoch, da sich CDU und FDP verweigert haben.

SPD: Die Existenz staatlicher Bekenntnisschulen wird durch die Verfassung des Landes Nordrhein-Westfalen garantiert. Da die Landesverfassung aber nur mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit geändert werden kann, erfordern schon Änderungen einen entsprechend großen gesellschaftlichen Konsens. Mit dem 11. Schulrechtsänderungsgesetz hat die SPD-geführte Landesregierung deshalb die Umwandlung von Bekenntnisschulen in Gemeinschaftsschulen deutlich erleichtert. Es entscheidet nun der Elternwille. Ebenfalls wurde zum Beispiel die strikte Bekenntnisbindung von Lehrkräften verändert. Damit haben die parlamentarischen Vertreterinnen und Vertreter der NRWSPD bereits in
verantwortlicher Weise im Bereich der Grundschulen gehandelt und eine angemessene Lösung gefunden.

  1. Welche anderen Möglichkeiten sehen Sie jenseits einer Verfassungsänderung, um zu verhindern, dass schon im Grundschulbereich Kinder und Lehrkräfte aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit Nachteile erleiden müssen?

FDP: Erst vor kurzer Zeit sind die rechtlichen Möglichkeiten zur Umwandlung von Bekenntnisschulen durch verschiedene Maßnahmen deutlich erleichtert worden. Die in der Folge geringe Zahl der Umwandlungen trotz dieser erleichterten Möglichkeiten verdeutlicht, dass der bisweilen unterstellte Problemdruck offenkundig sowohl von den Schulträgern als auch von deutlichen Mehrheiten der Elternschaft in dieser Form nicht gesehen wird. Auch gilt es hier die demokratische Meinungsbildung und andere Überzeugungen zu beachten. Bezüglich der Lehrkräfte sind Öffnungen bezüglich der konfessionellen Zugehörigkeit erfolgt. Es kann nicht zielführend sein, dass Stellen sozusagen grundsätzlich nicht von bekenntnisfremden Lehrerinnen und Lehrern besetzt werden können, weil das im Umkehrschluss Unterrichtsausfall bedeutet. Daher hat die FDP diese erfolgte Öffnung explizit begrüßt.

CDU: Bekenntnisschulen sollten auch bekenntnisfremde Kinder aufnehmen. Das kommunale Grundschulangebot sollte so gestaltet sein, dass es allen Kindern gerecht wird. Die Kommunen in Nordrhein-Westfalen bemühen sich in der Regel um ein solches ausgewogenes Angebot.

DIE LINKE: Wir setzen uns für Religionsfreiheit und für die klare Trennung von Religionsgemeinschaften und Staat ein. Religionsfreiheit kann nicht bedeuten, dass man nur zwischen verschiedenen großen Religionsgemeinschaften wählen kann. Tatsächliche Religionsfreiheit ist erst gegeben, wenn es keine institutionelle Förderung ausgewählter Religionsgemeinschaften und ihrer Organisationen durch den Staat gibt. Normen und Werte, gesellschaftspolitische und philosophische Fragen sollten in Schulen in einem gemeinsamen Unterrichtsfach thematisiert werden. Wir wollen alle Kinder und Jugendlichen mitnehmen und niemanden diskriminieren. Der gemeinsame religionsübergreifende Unterricht (LER – Lebenskunde, Ethik, Religion) wäre ein wichtiger Beitrag zur Integration. Das Verbindende und das Kennenlernen verschiedener Weltanschauungen und Religionen sollte im Mittelpunkt stehen, nicht das Trennende.

Grüne: Wir haben die Antwort gekürzt, bitte klicken sie hier, um die vollständige Antwort zu lesen

Der sich verändernden gesellschaftlichen Wirklichkeit im religiösen Bereich haben wir durch eine Änderung des Schulgesetzes Rechnung getragen. Seit 2015 ist es leichter, staatliche Grundschulen, die konfessionell gebunden sind (Bekenntnisgrundschulen) in Gemeinschaftsgrundschulen umzuwandeln, wenn dies dem Wunsch einer Mehrheit der Eltern entspricht. Wir haben das Quorum zur Umwandlung von Bekenntnisschulen in Gemeinschaftsschulen gesenkt und so die Sperrminorität beseitigt. Das nun notwendige Quorum von 50% plus 1 Eltern ist aus rechtlichen Gründen nicht weiter absenkbar.
Der Beschluss ist ein wichtiger Schritt in Richtung Gleichbehandlung von Schüler*innen unterschiedlicher religiöser Prägung und solcher ohne Religionszugehörigkeit. Es ist verstärkt darauf zu achten, dass Schulen über die Freiwilligkeit der Teilnahme am konfessionellen Religionsunterricht informieren. Die Grundschule ist eine Schule für alle Kinder und muss für alle offen und diskriminierungsfrei zugänglich sein.

Auch die in der Besetzung der Lehrerstellen und stellvertretenden Schulleitungspositionen hat es Öffnungen gegeben, die Bindung an das profilgebende Bekenntnis wurde gelockert. Das jüngste Urteil des OVG Münster zur vorrangigen Aufnahme von Schüler*innen, die dem profilgebenden Bekenntnis der Grundschule angehören, ist ein herber Rückschlag in der Bemühung, dem Prinzip kurze Beine- kurze Wege zu genügen und der Segregation nach Bekenntnissen entgegen zu wirken. Es „zwingt Eltern“ quasi zur Mitgliedschaft in einer Kirche, wenn sie ihre Kinder möglichst wohnortnah im sozialen Verbund zur Schule gehen lassen wollen. Das ist aus unserer Sicht inakzeptabel. Auch der Elternwille, dass Kinder unabhängig von der Mitgliedschaft in einer Kirche nach den Grundwerten eines Bekenntnisses erzogen werden sollen, bzw. kulturell prägende Werte kennenlernen sollen, wird diskriminiert. Hier muss aus unserer Sicht eine Grundrechteklärung stattfinden, die wir vorantreiben wollen.

Der sich verändernden gesellschaftlichen Wirklichkeit im religiösen Bereich haben wir durch eine Änderung des Schulgesetzes Rechnung getragen. … Es ist verstärkt darauf zu achten, dass Schulen über die Freiwilligkeit der Teilnahme am konfessionellen Religionsunterricht informieren. Die Grundschule ist eine Schule für alle Kinder und muss für alle offen und diskriminierungsfrei zugänglich sein. … Das jüngste Urteil des OVG Münster zur vorrangigen Aufnahme von Schüler*innen, die dem profilgebenden Bekenntnis der Grundschule angehören, ist ein herber Rückschlag in der Bemühung, dem Prinzip kurze Beine- kurze Wege zu genügen und der Segregation nach Bekenntnissen entgegen zu wirken. Es „zwingt Eltern“ quasi zur Mitgliedschaft in einer Kirche, wenn sie ihre Kinder möglichst wohnortnah im sozialen Verbund zur Schule gehen lassen wollen. Das ist aus unserer Sicht inakzeptabel. Auch der Elternwille, dass Kinder unabhängig von der Mitgliedschaft in einer Kirche nach den Grundwerten eines Bekenntnisses erzogen werden sollen, bzw. kulturell prägende Werte kennenlernen sollen, wird diskriminiert. Hier muss aus unserer Sicht eine Grundrechteklärung stattfinden, die wir vorantreiben wollen.

SPD: Mit dem 11. Schulrechtsänderungsgesetz wurden die Möglichkeiten zur Umwandlung von Bekenntnisschulen deutlich verbessert.  Wir haben die Antwort gekürzt, bitte klicken sie hier, um die vollständige Antwort zu lesen

Etwa ein Drittel der Grundschulen im Land sind sogenannte Bekenntnisschulen. Diese sind jedoch unterschiedlich in den Kommunen verteilt: Während es in 116 Gemeinden keine einzige Bekenntnisgrundschule gibt, ist dies in 75 Kommunen die einzige Schulform. In Zukunft reicht die einfache Mehrheit, also 50 Prozent plus eins, der Eltern aus, um eine Bekenntnisschule umzuwandeln. Nach der bisherigen Regelung war die Zustimmung von zwei Drittel der Eltern notwendig. Besonders wichtig ist bei dieser Novelle das Initiativrecht des Schulträgers. Dieser kann im Rahmen der Schulentwicklungsplanung bereits ein Abstimmungsverfahren mitbeschließen. Die endgültige Entscheidung über die Schulart treffen jedoch zukünftig grundsätzlich die Eltern. Eine Initiative zur Umwandlung der Schule kann zudem auch weiterhin auf Antrag der Eltern erfolgen. Allerdings reichen demnächst zehn statt der bisherigen zwanzig Prozent der Eltern aus, um ein solches Verfahren zu beantragen. Die Bekenntnisschulen haben sich zudem in der Lehrerfrage geöffnet: Stellvertretende Schulleitungen und das Kollegium müssen, wenn es um die Sicherung der Unterrichtsversorgung geht, nicht mehr zwingend dem Bekenntnis der Schule angehören.
Da zumindest von der Möglichkeit der Umwandlung nur wenig Gebrauch gemacht wurde, sehen wir momentan wenig Handlungsbedarf. Nötigenfalls würden wir aber weitere Anpassungen erwägen.

Kommentar der Initiative zur Position der FDP (klicken Sie hier)
In der Landtagsdebatte am 17. Dezember 2014 hat die FDP sich noch wesentlich klarer für Bekenntnisschulen eingesetzt, Zitat Yvonne Gebauer (bildungspolitische Sprecherin): „Ich sage Ihnen hier und heute ganz deutlich: Eine Verfassungsänderung in Bezug auf die Bekenntnisschulen wird es mit der FDP nicht geben.“ Nicht nachvollziehbar ist für uns, warum die FDP nicht auch eine Öffnung der Schulleitung für alle Lehrkräfte befürwortet. Wir meinen: „Es kann nicht zielführend sein, dass Schulen ohne Schulleitung bleiben, nur weil qualifizierte Bewerber nicht das richtige Bekenntnis haben.“ Bemerkenswert ist ferner, dass die FDP nun die Gesetzesänderung von 2015 in gutem Licht erscheinen lässt, während sich bei der Verabschiedung die meisten ihrer Abgeordneten enthielten. Die FDP ist historisch in dieser Frage übrigens recht wandlungsfähig: 1970, so berichtete damals der Spiegel, stritt sie engagiert für eine Entkonfessionalisierung: „Die FDP dagegen will gleich nach den Wahlen,“ so ihr Spitzenkandidat Willi Weyer, die „Entkonfessionalisierung“ der Grundschulen in Gang setzen.“

 

Kommentar der Initiative zur Position der CDU (klicken Sie hier)
Die CDU schreibt: „Bekenntnisschulen sollten auch bekenntnisfremde Kinder aufnehmen. Das kommunale Grundschulangebot sollte so gestaltet sein, dass es allen Kindern gerecht wird. Die Kommunen in Nordrhein-Westfalen bemühen sich in der Regel um ein solches ausgewogenes Angebot.“ Dem entnehmen wir, dass auch der CDU bewusst ist, dass in manchen Kommunen das Grundschulangebot eben nicht allen Kindern gerecht wird. Sie beschreibt aber nicht, wie sie Verbesserungen erreichen will.

s. auch Positionen von Parteien und Verbänden in NRW zum Thema Bekenntnisgrundschulen (2012, mit Ergänzungen 2014)

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